Olympische Sommerspiele 1972 Als vor 50 Jahren der Terror nach München kam

München · Hier fand Silvia Sommerlath ihren Traumprinzen. Mark Spitz dominierte die Schwimmwettbewerbe, und Ulrike Meyfarth holte überraschend Gold im Hochsprung. Doch über den Olympischen Spielen in München liegt ein Schatten.

 Ein vermummter arabischer Terrorist zeigt sich auf dem Balkon des israelischen Mannschaftsquartiers im Olympischen Dorf der Münchner Sommerspiele.

Ein vermummter arabischer Terrorist zeigt sich auf dem Balkon des israelischen Mannschaftsquartiers im Olympischen Dorf der Münchner Sommerspiele.

Foto: dpa

Heiter sollten sie sein: die Olympischen Sommerspiele 1972 in München. Als die Großveranstaltung vor 50 Jahren, am 26. August, mit dem Einzug von über 8.000 Sportlern aus 122 Nationen begann, war die Welt auch noch in Ordnung. Die 80.000 Zuschauer in dem neu errichteten Stadion mit seiner zeitlos eleganten Zeltdachkonstruktion staunten nicht schlecht über den Anblick der Aktiven aus der Mongolei, „deren Fahnenträger mit nacktem Oberkörper und wuchtigen Lederstiefeln daherkamen“, wie Reporter notierten. Und jubelten ihnen genauso wie Trachtengruppen und Blasmusikern aus Bayern zu.

Von Anfang an brachte Stadionsprecher Joachim „Blacky“ Fuchsberger eine lockere Note in die Veranstaltung, die Bundespräsident Gustav Heinemann staatstragend eröffnet hatte. In den folgenden gut zwei Wochen dominierte US-Athlet Mark Spitz die Schwimmwettbewerbe nach Belieben. Der bereits 60-jährige Unternehmer und Dressurreiter Josef Neckermann musste sich den beiden „Amazonen“ Liselott Linsenhoff und Elena Petushkova geschlagen geben.

Die 16-jährige Ulrike Meyfarth holte völlig überraschend Gold im Hochsprung. Standesgemäß dagegen lief der für die Sowjetunion startende Supersprinter Walerij Borsow auf 100 und 200 Meter der Konkurrenz davon. Beim ersten offiziellen Fußballländerspiel zwischen BRD und DDR zog die erfolgsverwöhnte DFB-Auswahl mit 2:3 den Kürzeren. Unterdessen fühlte sich Hostess Silvia Sommerlath von einem jungen Mann beobachtet, der sie mit einem Fernglas anstarrte. „Aber er saß nur anderthalb Meter von mir entfernt.“ Der schwedische Thronfolger Carl Gustav war kein Meister der Tarnung. Aus den beiden wurde wenig später trotzdem ein Paar.

Das „Treffen der Jugend der Welt“ hätte so unbeschwert in Erinnerung bleiben können, wenn es nicht den 5. September gegeben hätte. Vor den Augen einer entsetzten internationalen Öffentlichkeit - die Bilder der Spiele gingen an 60 Fernsehanstalten aus 98 Ländern - überfielen acht palästinensische Terroristen am frühen Morgen das Quartier der israelischen Mannschaft im Olympischen Dorf.

Dabei wurden Ringer-Trainer Mosche Weinberg und Gewichtheber Yossef Romano getötet. Neun weitere Mitglieder der Mannschaft nahmen die Terroristen als Geiseln: die Gewichtheber David Berger und Ze'ev Friedman, die Kampfrichter Yossef Gutfreund und Yakov Springer, die Ringer Eliezer Halfin und Mark Slavin sowie die Trainer Andrei Spitzer, Amitzur Schapira und Kehat Shor.

Mit ihrer Aktion wollte die Gruppe „Schwarzer September“ zahlreiche Palästinenser und einen japanischen Terroristen aus israelischer Haft freipressen, dazu die „unmittelbare Entlassung“ des RAF-Mitglieds Ulrike Meinhof erwirken. Nach stundenlangen Verhandlungen - die olympischen Wettbewerbe liefen bis in den Nachmittag hinein zunächst weiter - wurde den Terroristen samt ihren Geiseln freies Geleit in einem Flugzeug nach Kairo zugesichert. Der auf dem Militärflugplatz Fürstenfeldbruck eingeleitete Befreiungsversuch geriet in der Nacht auf den 6. September zum Fiasko: Alle Geiseln wurden getötet, dazu ein Polizeibeamter und fünf Palästinenser.

„Alle die Millionen Zuschauer in der Welt sind durch diesen unveständlichen Terrorakt zutiefst betroffen und verletzt“, sagte Papst Paul VI. „Gebe Gott, dass sich solche Zwischenfälle nicht wiederholen, wie es leider in der Natur unserer menschlichen Schwäche liegt.“ Am 6. September wehten im Olympiastadion die Flaggen auf halbmast, an Sport schien zunächst kein Denken mehr. „Fassungslos stehen wir vor einem wahrhaft ruchlosen Verbrechen“, so Bundespräsident Heinemann.

Bis zur letzten Minute blieb unklar, was nun folgen würde. „Sie haben uns einfach die Seele aus dem Leib geschossen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen“, zitierte Jahre später Stadionsprecher Fuchsberger den verzweifelten Chef des Organisationskomitees, Willi Daume. Es war IOC-Präsident Avery Brundage, der schließlich die umstrittene Parole ausgab: „The games must go on.“ Die Olympische Bewegung hatte es ganz offenbar eilig, zur Tagesordnung überzugehen. Erst im vergangenen Jahr, bei den Sommerspielen in Tokio, gab es zur Eröffnungsfeier eine Schweigeminute für die 1972 getöteten Olympioniken.

Am 5. September wollen die Präsidenten Deutschlands und Israels, Frank-Walter Steinmeier und Isaac Herzog, der Opfer von München gedenken. Es ist offen, ob es dazu kommen wird. Die Hinterbliebenen haben ihre Teilnahme abgesagt: Sie werfen den deutschen Behörden Vertuschen und Versagen vor und verlangen eine angemessene Entschädigung - 50 Jahre nach dem Überfall, der die Olympischen Spiele in München für immer überschatten wird.

(boot/kna)
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