Methadontod der elfjährigen Chantal Offenbar schon zuvor Kritik an Jugendamt

Dass eine Elfjährige in Hamburg an einer Überdosis Methadon starb, hat die Öffentlichkeit aufgeschreckt. Nun ist von weiteren Mängeln beim zuständigen Jugendamt die Rede.

Hunderte Menschen nehmen an einem Schweigemarsch für Chantal teil
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Hunderte Menschen nehmen an einem Schweigemarsch für Chantal teil

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Dem Methadon-Tod der elfjährigen Chantal in Hamburg gingen nach Informationen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) etliche Beschwerden über das zuständige Jugendamt voraus. Dem NDR Fernsehen liegen nach eigenen Angaben vom Samstag mehrere Beschwerdebriefe von Pflegeeltern und freien Jugendhilfe-Trägern gegen das zuständige Jugendamt vor. Sie waren an den damaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), seinen Justizsenator Till Steffen (GAL) und den jetzigen Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) gerichtet.

Die Senatskanzlei sagte dem Sender dazu, sie prüfe zurzeit die Informationen. Es handle sich um Vorgänge aus den Jahren 2005/2006, erläuterte ein Sprecher auf Nachfrage. Nun versuche die Senatskanzlei herauszufinden, "was an den Vorwürfen dran ist" und was damals unternommen worden sei. Das sei nicht so einfach und brauche Zeit.

Das Jugendamt Hamburg-Mitte war für die elfjährige Chantal zuständig, die im Januar in der Wohnung ihrer drogenabhängigen Pflegeeltern an einer Überdosis der Heroin-Ersatzdroge Methadon gestorben war. Als Konsequenz war die umstrittene Leiterin des Jugendamtes, Pia Wolters, von ihren Aufgaben entbunden worden. Aber auch Bezirksamtschef Schreiber steht nach wie vor stark unter Druck.

400 Menschen bei Trauermarsch

In zumindest einem Antwortschreiben seien Missstände von Seiten des Senats eingeräumt worden, berichtete der NDR. Der Leiter des Amtes für Soziales und Familie habe im Dezember 2006 im Auftrag von Beust einer Pflegefamilie geantwortet, er habe "Schwachstellen im Planungs- und Bewilligungsbereich von Hilfen zur Erziehung feststellen müssen, die zu nicht zu akzeptierenden Ergebnissen geführt" hätten. Gemeinsam mit dem Jugendamt sollten diese Schwachstellen weiter analysiert und Abhilfe geschaffen werden.

Der Landesverband für Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien in Schleswig-Holstein hat laut NDR seit mehreren Jahren bemängelt, dass Jugendamtsmitarbeiter das Kindeswohl gefährdeten und oftmals willkürlich mit Pflegeeltern umgingen. Der Verein, der auch Pflegefamilien in Hamburg betreue, werfe der Behörde vor, dass Fälle beurteilt würden, ohne das Kind oder die Pflegeeltern überhaupt zu kennen. Beschwerden seien ins Leere gelaufen.

Seit dem Tod von Lara Mia vor drei Jahren seien immer häufiger Pflegeeltern auf den Verband zugekommen, die sich insbesondere von dem Jugendamt Hamburg-Mitte schlecht behandelt gefühlt hätten, sagte die Vorsitzende des Verbandes, Birgit Nabert, dem Sender.

Am Freitagabend hatten in Hamburg-Wilhelmsburg 400 Menschen an einem Trauermarsch für Chantal und Lara Mia teilgenommen. Das neun Monate alte Baby war im selben Stadtteil 2009 ums Leben gekommen. Sie war völlig unterernährt. Die genaue Todesursache konnte nie geklärt werden. Chantal soll Anfang kommender Woche beerdigt werden.

(dpa)
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