Streitgespräch unter Frauen Hilft uns „oben ohne“ wirklich weiter?

Meinung | Düsseldorf · In Göttingen und Siegen ist „Oben-ohne-Baden“ im Schwimmbad jetzt auch für Frauen erlaubt, weitere Städte wollen nachziehen. Das Thema polarisiert. Doch was halten Frauen eigentlich von der Debatte? Zwei Redakteurinnen im Gespräch.

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Foto: Stadtwerke Bielefeld/Dennis Neuschaefer-Rube

TOSSIA Frauen dürfen „oben ohne“ ins Freibad – 46 Prozent der dazu befragten Männer finden das gut. Warum? Um noch ungestörter gucken und kommentieren zu können?

HANNA Ich glaube auch nicht, dass diese Prozentzahl einer feministischen Bewegung angehört und deshalb für „oben ohne“ plädiert. Aber ich habe keine Lust mehr, mir über die den Kopf zu zerbrechen.

TOSSIA Dennoch könnte dieser Schritt Probleme nach sich ziehen. Heimliche Fotos, sexistische Kommentare, sexuelle Belästigung und im schlimmsten Fall sogar Übergriffe.

HANNA Das Verbot von „oben ohne“ suggeriert allerdings, dass der weibliche Körper das Problem ist.

TOSSIA Man muss die neue Regelung aber (leider) auch realistisch sehen: Die Sicherheit von Frauen könnte durch diesen Schritt bedroht sein.

HANNA Das ist ein grundlegendes Problem. In vielen Bereichen müssen Frauen verzichten, um sich sicherer zu fühlen. Abends alleine nach Hause gehen ist auch so ein Thema.

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Foto: dpa/Jana Bauch

TOSSIA Richtig finde ich das auch nicht. Aber lass uns mal ein konkretes Szenario aufwerfen: Ich gehe „oben ohne“ ins Freibad und dann kommen Kommentare und Blicke von allen Seiten, sodass ich meine Entscheidung zumindest wieder überdenke. Da hört die Freiheit sofort wieder auf.

HANNA Wir dürfen uns davon aber nicht länger beirren lassen.

TOSSIA Ich bleibe dabei, das ist eine weitere Bedrohung der Sicherheit der Frau – mit Ansage.

HANNA Es ist 2022, müssen wir Frauen uns echt immer noch verhüllen, um sexuellen Übergriffen zu entkommen? Die Prävention ist nicht der Job von uns Frauen.

TOSSIA Aber wer macht’s dann?

HANNA Sicherheitspersonal würde helfen, Männer, die in egal welcher Weise übergriffig werden, direkt zu belangen.

TOSSIA Auch wenn Kostenpflichtiger Inhalt Bäder in Hilden oder Bochum das einführen – solches Personal gibt es zum aktuellen Zeitpunkt leider in vielen Bädern noch nicht und ein Bademeister alleine kann das nicht stemmen.

HANNA Sollte es aber geben. Unternehmen stellen Antidiskriminierungsbeauftragte ein – wieso gibt es so etwas nicht auch in Freibädern?

TOSSIA Und dann setzt sich der Pädagoge mit einer Infobroschüre zu den Sprücheklopfern und klärt die erst mal über sexuelle Belästigung und Geschlechterdiskriminierung auf?

HANNA Ich hatte da eher an ein mehrköpfiges Team an Sicherheitsleuten gedacht, die konsequent durchgreifen. Wie Türsteher im Club. Wer auffällig wird, fliegt.

TOSSIA Klingt in der Theorie toll, aber ich halte es für wenig realistisch, dass sämtliche Freibäder ad hoc zehn neue Stellen schaffen.

HANNA Also dann doch was überziehen? Wenn sich etwas für uns Frauen ändern soll, müssen wir auch die entsprechenden Forderungen stellen.

TOSSIA Wenn mich keiner schützt, muss ich es tun. Und dann, ja, ziehe ich persönlich mir lieber etwas über.

HANNA Hier geht es weder um dich noch um mich persönlich, es geht ums Prinzip.

TOSSIA Ich weiß schon, ohne Kampf kein Fortschritt, aber ich habe die Hoffnung vielleicht ein bisschen aufgegeben. Ich habe schon so oft versucht, mich gegen sexuelle Belästigung zu wehren, mit Humor, klarer Kante, Empathie und Sachlichkeit. Nichts hat gefruchtet, ich fühlte mich nur noch beschissener.

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Foto: Ilgner

HANNA Genau deshalb sollte es nicht allein unsere Aufgabe bleiben, zu reagieren. Aber sag mal, ohne die Gefahr sexueller Belästigung ausgesetzt zu sein – würdest du gern oben-ohne schwimmen gehen?

TOSSIA Ja. Ich mag das Gefühl im Wasser, ich habe keine Bikini-Streifen, ich muss nicht ständig checken, ob etwas verrutscht ist und man meine Brüste sieht – es ist deutlich entspannter.

HANNA Ich frage mich halt, ob das – sexuelle Belästigung mal ausgeblendet – echt für alle Frauen entspannter ist. Ich meine, der Druck auf den Körper ist ja groß genug.

TOSSIA Body Shaming ist in dem Zusammenhang sicher auch ein Thema. Den eigenen Körper zu zeigen, erfordert heute jede Menge Mut.

HANNA Vor allem, wenn man durch eine Erkrankung seine Brüste verloren hat oder sich der Körper durch eine Geschlechtsangleichung gerade noch verändert.

TOSSIA Und da sehe ich – im Gegensatz zu dem anderen Aspekt – durchaus die Verantwortung bei uns Frauen, uns gegenseitig ein gutes Gefühl zu geben

HANNA Auch mit der Entscheidung, sich nicht „oben ohne“ zu sonnen. Aus welchen Gründen auch immer – Unsicherheit oder Unbehagen. Es sollte kein sozialer Druck entstehen, sich zu entkleiden. Das ist auch im Kontext eines Burkinis wichtig, denn hinter dem steht auch eine bewusste Entscheidung.

TOSSIA Ein Angebot ist keine Pflicht. Da sind wir uns einig.

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