Abschlussbericht der Untersuchungskommission NSU-Ermittlungen — ein Fall voller Pannen
Erfurt · Kaum wurden die Terrorakte der Zwickauer Zelle publik, machten auch Berichte über Ermittlungspannen die Runde. Am Dienstag wurde das von einer unabhängigen Kommission bestätigt. Es ist der erste Bericht dieser Art. Und er zeigt bis ins Detail, wo die Behörden geschlampt haben.
Seit vergangenem November hatten die drei Mitglieder der Kommission um den ehemaligen Bundesrichter Gerhard Schäfer Berge von Akten ausgewertet und jede Menge Zeugen befragt. Was wussten die Behörden seit Mitte der 90er Jahre von dem Trio? Warum gab es keine Verhaftung? Welche Verfehlungen sind den Behörden nachzuweisen? All diese Fragen galt es zu beantworten. Der mehr als 260 Seiten lange Abschlussbericht der Kommission gibt ernüchternde Antworten.
Denn die Vermutungen, dass es massive Ermittlungspannen bei der Suche nach dem Zwickauer Trio gegeben hat, mussten nun bestätigt werden. Thüringens Innenminister Jörg Geibert sprach von "handwerklichen und strukturellen Defiziten". Polizei, Verfassungsschutz und Justiz hätten nicht so professionell gearbeitet, wie es zu erwarten gewesen sei. Das fängt schon bei der Durchsuchung der Garage von Uwe Böhnhardt an.
Die Durchsuchung der Garagen
Im Januar 1998 hatte Böhnhardt die Ermittler selbst zu einem Garagenkomplex geführt, in dem sich die Bombenwerkstatt der Terrorzelle befand. Allerdings hatte er sich von dort entfernt, nachdem in der ersten Garage nichts gefunden worden war. In einer anderen schließlich wurden die Ermittler fündig.
Die Kommission stellt nun fest, dass eine solche Durchsuchung an mehreren Orten gleichzeitig hätte durchgeführt werden müssen. Zudem hätten sich die Ermittler im Vorfeld über die Besitzer der Garagen erkundigen müssen. So wären sie schnell darauf gekommen, dass Beate Zschäpe Mieterin der Garage gewesen sei, in der der Sprengstoff gefunden worden war. Auch kommt die Kommission zu der Überzeugung, dass es zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre mindestens Böhnhardt, wenn nicht sogar alle drei Mitglieder der Zelle festzunehmen.
Auch die Rolle der V-Leute wird in dem Bericht beleuchtet. Auf der einen Seite wird festgestellt, dass Beate Zschäpe nicht als Quelle für den Thüringer Verfassungsschutz diente und dem Trio dort auch nicht geholfen worden sei, abzutauchen beziehungsweise in der Zeit danach.
Auf der anderen Seite habe es bereits 1998 und 1999 Hinweise von mehreren V-Leuten an den Verfassungsschutz gegeben, nach denen davon auszugehen war, dass das Trio Geld brauchte, sich Waffen besorgen wollte , unter falscher Identität agierte und als militant galt.
Meldungen nicht weitergeleitet
Auch die Kommunikation zwischen den Behörden wird in dem Bericht an zahlreichen Stellen kritisiert. So heißt es etwa, dass die Kommunikation innerhalb des Landesverfassungsschutzes mangelhaft gewesen sei. So habe die Abteilung Auswertung nur gelegentlich Material der Beschaffung untersucht.
Und auch die Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt lief alles andere als ideal. Laut dem Bericht hätte der Landesverfassungsschutz zwar wichtige Meldungen von Quellen gehabt, sie aber nicht an das Kriminalamt weitergeleitet. Zudem wird die allgemeine Aktenlage in dem Bericht kritisiert. So sei dort keine Ordnung, keinerlei System erkennbar gewesen.
Es sind scheinbar viele Kleinigkeiten und Unachtsamkeiten, die zu den massiven Pannen führten und dazu, dass das Trio nicht gefasst wurde. Ein Trio, dass zehn Menschen ermordete und Sprengstoffanschläge verübte. Der thüringische Innenminister kündigte bereits Konsequenzen aus den Pannen an, um künftig Informationsverluste zu vermeiden. Besonderer Augenmerk soll dabei auf das Landesamt für Verfassungsschutz gelegt werden, dessen Organisation umfassend überprüft werden soll.
mit Agenturmaterial