NS-Vorwürfe Berlinale setzt historische Aufarbeitung fort

Berlin · Nach den NS-Vorwürfen gegen Alfred Bauer, den ersten Festivalleiter, bemüht sich die Berlinale weiter um Aufklärung. Eine nach Bauer benannte Auszeichnung wurde bereits umbenannt.

Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek will für Transparenz sorgen (Archivfoto).

Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek will für Transparenz sorgen (Archivfoto).

Foto: dpa/Christoph Soeder

Mit einer Diskussionsrunde hat die Berlinale die historische Aufarbeitung ihrer Anfangsjahre fortgesetzt. Vor rund drei Jahren waren NS-Vorwürfe gegen den ersten Festivalleiter Alfred Bauer (1911-1986) öffentlich geworden. „Wir können die Vergangenheit nicht verändern. Aber wir können sie transparent machen“, sagte Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek am Mittwochabend in Berlin. Durch eine Auseinandersetzung mit den Fragen und Themen könnten sie mehr Klarheit ermöglichen.

Bauer hatte die Berlinale von 1951 bis 1976 geleitet. Nach seinem Tod wurde eine Auszeichnung nach ihm benannt. „Die Zeit“ berichtete im Januar 2020, Bauer habe während des Nationalsozialismus für die Reichsfilmintendanz gearbeitet und seine Rolle später verschwiegen. Die Festivalleitung entschied daraufhin, den Preis umzubenennen. Sie gab auch eine Studie beim Institut für Zeitgeschichte in Auftrag.

Das Münchner Institut zeigte in einer ersten Untersuchung vor zwei Jahren auf, dass Bauer eine bedeutendere Rolle im nationalsozialistischen Regime gespielt hatte als bis dahin bekannt. Eine zweite Studie blickte nun auf das Umfeld.

In einer Zusammenfassung hieß es dazu im Oktober, die Internationalen Filmfestspiele Berlin seien insbesondere in den Anfangsjahren von Personen geprägt worden, „die durchaus als NS-belastet angesehen werden können“. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass andere maßgebliche Akteure keineswegs Funktionsträger des Nationalsozialismus gewesen seien. Eine „ungebrochene personelle Kontinuität“ wird nicht gesehen, zumal bis zum Wiederaufbau der Filmwirtschaft einige Jahre vergangen seien.

„Zudem waren in der Berliner Senatsverwaltung keineswegs überzeugte Nationalsozialisten für die Filmfestspiele zuständig“, hieß es. Nicht zuletzt habe die Leitung der Berlinale unter steter Beobachtung der US-amerikanischen und britischen Besatzungsmacht gestanden mit jeweils einem Vertreter im Gründungsausschuss der Berlinale. „Insofern handelte es sich bei diesem zentralen Gremium um eine Institution, in der frühere Unterstützer und Gegner des NS-Regimes sowie Vertreter der Siegermächte gemeinsam daran arbeiteten, die Filmfestspiele als „Schaufenster der freien Welt“ zu etablieren.“ Die Studien sollen im kommenden Jahr gebündelt erscheinen.

(zeit/dpa)
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