Impfexperte fordert Ermittlungen NRW: Versagen bei Masern-Epidemie?

Bielefeld (RPO). Die Behörden in Nordrhein-Westfalen müssen sich mit schweren Vorwürfen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut auseinandersetzen. Es habe schwere Versäumnisse bei der Masern-Epidemie im vergangenen Jahr gegeben. Die betroffenen Gesundheitsämter hätten nicht verhindert, dass infizierte Kinder weiter zur Schule oder in Horte gegangen seien.

Impfexperte fordert Ermittlungen: NRW: Versagen bei Masern-Epidemie?
Foto: ddp

Das sagte der Kommissions-Vorsitzende Heinz-Josef Schmitt im Bielefelder "Westfalen-Blatt". Bei der Epidemie waren rund 1.700 Menschen an Masern erkrankt. Fünf Kinder entwickelten eine schwere Gehirnentzündung, an der zwei der kleinen Patienten in diesem Jahr starben.

Es sei viel zu spät gehandelt worden, sagte Schmitt, der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einforderte. Er sei noch immer fassungslos, dass die Ermittlungsbehörde die Vorgänge nicht schon im vergangenen Jahr verfolgt habe. Nach den beiden neuen Todesfällen müssten jetzt endlich alle Vorfälle aufgeklärt werden, forderte der Mainzer Professor. Die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg hatte dazu aber dem Blatt zufolge im Mai 2006 nach einer Prüfung keinen Anlass gesehen. An dieser Sachlage habe sich nichts geändert, zitierte die Zeitung jetzt einen Behördensprecher.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hatte zuletzt verlangt, nur noch Kindern mit einem vollständigen Impfschutz den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergarten, Krippe oder Schule zu erlauben. Die Mediziner fordern seit langem eine Impfpflicht nach Vorbild der USA, wo die Masern als nahezu ausgerottet gelten. Deutschland dagegen gehört inzwischen weltweit zu den Staaten mit den höchsten Erkrankungszahlen und wird das Ziel einer Ausrottung der Masern bis 2010 vermutlich verfehlen. Hauptgrund neben Nachlässigkeit ist häufig die Angst vor Nebenwirkungen, die aber den Experten zufolge unbegründet ist. Das Risiko einer Unverträglichkeit sei gering im Vergleich zum Risiko, das eine Krankheit mit sich bringe.

Die Übertragung der Masern-Viren erfolgt durch Tröpfchen. Nach acht bis zwölf Tagen beginnt die Krankheit mit Fieber, Husten und Schnupfen, später folgt dann der typische rote, großfleckige Ausschlag, der von hohem Fieber, Bronchitis, Lichtempfindlichkeit und allgemeinem Krankheitsgefühl begleitet ist. Häufige Komplikationen sind Lungen- und Mittelohrentzündungen. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Gehirnentzündung, die nach Angaben des Verbandes noch fünf bis sieben Jahre nach einer Masernerkrankung auftreten kann und zwangsläufig mit dem Tod endet. Den Ärzten zufolge sind seit 2003 insgesamt 17 Kinder in Deutschland an dieser Spätfolge erkrankt.

(ap)
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