Nordrhein-Westfalen Noro-Virus: 5000 Kranke in sechs Wochen

Duisburg (RP). Landesweit stecken sich immer mehr Menschen mit dem winzigen Erreger des Norovirus an. Sie leiden unter heftigem Durchfall und Erbrechen. Die Erkrankung ist seit 2001 meldepflichtig. Experten sind aber sicher, dass die Dunkelziffer enorm hoch ist. Für alte Menschen kann die Infektion lebensgefährlich sein.

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Foto: dpa-tmn/Christina Sabrowsky

Beim Blick in sein Wartezimmer bietet sich Dirk Mecking, Facharzt für Allgemeinmedizin in Duisburg, jeden Morgen ein ähnliches Bild: Mindestens vier, fünf der dort wartenden Patienten klagen über die gleichen Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe und Durchfall. Kopfschmerzen, Fieber und Kreislaufschwäche kommen bei manchen noch hinzu. Wen es besonders heftig erwischt hat, der hat es nicht mehr bis in die Praxis geschafft, sondern er wartet im Bett liegend zu Hause auf den Besuch des Arztes.

"Eine Behandlung gibt es nicht."

"In den vergangenen zwei, drei Wochen klagen regelmäßig Patienten über solche Beschwerden", berichtet Dirk Mecking, der Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein ist. Die meisten Erkrankten dürfte "nur" eine relativ harmlose Magen-Darm-Grippe peinigen. Treten die Symptome aber in besonders heftiger Form auf, liegt der Verdacht nahe, dass sie sich mit den gefürchteten, hoch ansteckenden Noro-Viren infiziert haben. Vor allem für ältere Menschen kann die Erkrankung lebensgefährlich sein.

Seit 2001 müssen Infektionen mit dem aggressiven Virus dem jeweiligen Gesundheitsamt gemeldet werden. Bundesweit steigt diese Zahl derzeit laut der Statistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Woche zu Woche. Vor vier Wochen wurden innerhalb von nur sieben Tagen bundesweit 2752 Noro-Erkrankungen gemeldet, vor drei Wochen waren es 3372, vor zwei Wochen 4118 Fälle. Allein in NRW erkrankten in den letzten beiden Wochen jeweils mehr als 600 Menschen. Insgesamt infizierten sich in NRW von Anfang Oktober bis Mitte diesen Monats etwa 5000 Patienten mit dem Virus.

Mikrobiologe Ulrich van Treek vom Landesinstitut für Arbeit und Gesundheit in Münster, das die Noro-Virus-Erkrankungen in NRW registriert, spricht von einem "zunehmenden Trend". Der Wissenschaftler sagt zudem vorher: "Die Saison beginnt erst." Von November 2007 bis Mai 2008 waren in NRW 43 000 Noro-Fälle registriert worden. Warum die Viren vor allem in der kalten Jahreszeit zuschlagen, ist nicht erforscht.

Die Dunkelziffer ist enorm

Die gemeldeten Zahlen von Infektionen dürften nur einen Bruchteil der Wirklichkeit darstellen. Experten gehen von einer enorm hohen Dunkelziffer aus. Dafür gibt es Gründe: Längst nicht alle Menschen mit Magen-Darm-Erkrankungen konsultieren einen Arzt. Viele bekämpfen die Übelkeits-Attacken mit alten Hausmitteln. Zudem kann der Virus nur mit Hilfe einer kostspieligen Laboruntersuchung nachgewiesen werden. Bei längst nicht jedem Patienten, der über entsprechende Symptome klagt, wird nach Angaben von Allgemeinmediziner Dirk Mecking solch ein Test gemacht. Zu Recht, meint der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein. Im Gesundheitswesen müsse man Methoden effizient einsetzen und Ressourcen, die zur Verfügung stehen, sorgsam verwenden.

Auf jeden Fall notwendig ist die Laboruntersuchung auf Noro-Viren nach Meckings Meinung jedoch, wenn Erkrankungen mit typischen Symptomen in Altersheimen, Kindergärten oder Krankenhäusern auftreten. Alte Menschen, deren Abwehrkräfte an sich schon geschwächt seien, könnten den Angriff der Viren nur schwer abwehren. Deshalb müssten in Seniorenheimen dann Maßnahmen — vor allem auf dem Gebiet der Hygiene — ergriffen werden, um noch nicht erkrankte Bewohner zu schützen.

"Der Körper muss selbst mit dem Infekt fertig werden"

Bei jedem Leidenden eine Laboruntersuchung zu veranlassen, hält Dirk Mecking hingegen nicht für erforderlich — zumal der Befund keinen Einfluss auf die Therapie habe. Eine Noro-Erkrankung sei nicht anders zu behandeln als eine "Magen-Darm-Grippe". Um wieder fit zu werden, könnte ein Patient mit normalen Abwehrkräften nicht viel mehr tun als viel zu trinken, den Mineralhaushalt des Körpers aufrechtzuerhalten und sich zu schonen. "Eine andere Behandlung gibt es nicht, der Körper muss selbst mit dem Infekt fertig werden", sagt der Allgemeinmediziner. Für einen an sich gesunden Menschen sei das auch kein Problem. "Nach ein paar Tagen des Leidens ist er wieder fit", sagt Dirk Mecking.

Für Alte, Kranke und Patienten mit einem ohnehin schon schwachen Immunsystem kann die Noro-Virus-Infektion aber schwerste Belastungen bedeuten — im Extremfall sogar tödlich sein. Allein im vergangenen Jahr starben nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Deutschland 75 Norovirus-Erkrankte. Davon waren 75 Prozent älter als 79 Jahre.

(RP)
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