Kolumne „Gott und die Welt“ Der gute alte Nikolaus

Düsseldorf · Hausbesuche fallen in diesem Jahr am Nikolaus-Tag wegen der Corona-Pandemie aus. Doch der Heilige verkörpert unsere tiefe Sehnsucht.

 Ein Nikolaus-Darsteller sitzt in einer Videokonferenz (Symbolfoto).

Ein Nikolaus-Darsteller sitzt in einer Videokonferenz (Symbolfoto).

Foto: dpa/Simon Wiggen

Für die Katholiken ist seit jeher klar: Luther ist an allem Schuld. Die Protestanten sehen das natürlich anders. Allerdings hat der Reformator, das zumindest ist historisch belegt, dem rheinischen Nikolausbrauch schweren Schaden zugefügt. Denn Luther verordnete seinen Anhängern das Christkind. Keine Geschenke mehr vom Nikolaus, der dem Theologen wie alle anderen Heiligen suspekt war. Erst später kam der Weihnachtsmann ins Spiel und machte Sankt Nikolaus zusätzlich Konkurrenz. Trotz allem blieb – zumindest am katholischen Niederrhein – der Wohltäter im Bischofsgewand noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinein wichtiger Geschenkebringer und dem Rheinländer deutlich näher als der Mann mit der roten Zipfelmütze. Wer hierzulande, wie in einem Lied der Kölner Bläck Fööss als „Weihnachtmann“ tituliert wird, darf sich zu Recht beleidigt fühlen. Er gilt als Witzfigur! Hochverehrt dagegen wird der Nikolaus, der am Rheinland sogar vielfach in Familiennamen zu finden ist. Insbesondere im Raum Viersen, Krefeld und Mönchengladbach gibt es besonders viele Claassen oder Clahses, die damit so heißen wie der Nikolaus. Der verehrte Heilige, dem sich neben dem Landschaftsverband Rheinland auch der Grevenbroicher Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti intensiv gewidmet hat, bietet reichlich Stoff für Legenden, Lieder und Geschichten.

Des Professors in Buchform veröffentlichte Erkenntnis, Nikolaus verkörpere die Sehnsucht nach himmlischen Zuständen, wird in diesen Tagen eindrucksvoll belegt durch Kinderbriefe ans Christkind, eingegangen im Postamt in Engelskirchen. Kinder wünschen sich da, dass Nikolaus gesund bleibt und das Virus verschwindet. Damit verbinden die Kleinen wohl auch die Hoffnung, dass zum Nikolaustag was Leckeres in ihren Stiefeln oder Schuhen steckt. Ein kranker Nikolaus kann nichts bringen. Der „Teller Lecker“, so die wunderbare niederrheinische Bezeichnung für die Schale mit den süßen Gaben, ist wohl auch für manchen Erwachsenen noch die ersehnte „Überraschung“ am Nikolaustag, den 6. Dezember. Da steht der Begriff für die Erwartung: Echt lecker! Und diese Form der heimlichen Bescherung („Dann stell ich den Teller auf, Nikolaus legt bestimmt was drauf“) geht auch ohne Hausbesuch, ganz wichtig in Zeiten der Pandemie: Nikolaus hält Abstand und ermöglicht Sozial Distancing.

Hausbesuche vom Nikolaus fallen also diesmal weitestgehend aus. Ihren Charakter haben sie schon seit langen Jahren verändert. Die früher übliche Ermahnung (mit Verlesung der Missetaten aus dem goldenen Buch) und der drohende Rute von Knecht Ruprecht, ist einem Auftritt mit Güte und Wärme gewichen. Und manchmal ist es so, wie ich es selbst als junger Mann in Begleitung von Sankt Nikolaus erlebt habe, dass eher der Seelsorger denn der Mann mit dem weißen Bart gebraucht wird. Wie bat doch eindringlich die schwerkranke Frau, die klein und schwach in ihrem Bett im Altenheim lag: „Lieber Nikolaus – hol mich doch zu dir.“ Der gute alte Nikolaus – er steht noch immer für Hoffnung und Geborgenheit.

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