Bundesverfassungsgericht-Urteil Neuregelung der Telefonüberwachung gesetzeskonform

Karlsruhe · Die seit 2008 geltende Neuregelung bei der Telefonüberwachung mutmaßlicher Straftäter ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Grundsatzbeschluss entschieden. Die Karlsruher Richter verwarfen mehrere Verfassungsbeschwerden gegen Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung.

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Damit bleibt bei verdeckten Ermittlungen gegen mutmaßliche Straftäter der Vertraulichkeitsschutz für bestimmte Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Journalisten oder Steuerberater weiterhin eingeschränkt. Dagegen wird dem Gesetz zufolge ein "umfassender Schutz" der Vertraulichkeit der Kommunikation mit Geistlichen, Strafverteidigern, Abgeordneten und - seit 1. Februar 2011 - auch mit Rechtsanwälten gewährleistet. Alle Informationen, bei denen diesen Berufsgeheimnisträgern ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde, dürfen nicht als Beweise verwertet werden.

Das Bundesverfassungsgericht sah in der Schaffung privilegierter Berufsgruppen innerhalb der Berufsgeheimnisträger keinen Grundrechtsverstoß. Einige der Beschwerdeführer, die als Ärzte oder publizistisch tätig sind, hielten hingegen die Differenzierung zwischen den Berufsgruppen für eine Ungleichbehandlung. Sie meinten zudem, in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und in ihrer Berufsfreiheit verletzt zu sein.

Karlsruhe billigt erweiterten Straftatenkatalog

Mit dem Gesetz wurden die Überwachungsmaßnahmen beim Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung in der Strafprozessordnung (StPO) neu geregelt. Der Katalog der Taten, die Voraussetzung für eine Telekommunikationsüberwachung sind, wurde systematisch erweitert: 19 Straftatbestände wurden gestrichen und mehr als 30 neu aufgenommen.

Anders als die Kläger sah das Verfassungsgericht dies nicht als bedenklich an. Der erweiterte Straftatenkatalog wahre "den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit". Es seien nur Delikte neu aufgenommen worden, bei denen eine Höchststrafe von mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe drohe. Dazu gehöre die Verbreitung, der Erwerb und Besitz von Kinderpornos sowie die Abgeordnetenbestechung, die erheblich in die Funktionsfähigkeit des Staates eingreife.

Werden aus der Telefonüberwachung ausschließlich Kenntnisse aus dem "Kernbereich privater Lebensführung" erlangt, darf laut der Neuregelung nicht abgehört oder das Abgehörte nicht verwendet werden. Dies billigten die Karlsruher Richter. Zugleich betonten sie, dass Telefonüberwachungen nicht schon deshalb von vornherein unterlassen werden müssten, weil "auch Tatsachen mit erfasst" würden, die auch den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts berühren.
"Sonst wäre eine wirksame Strafverfolgung gerade im Bereich schwerer und schwerster Kriminalität nicht mehr gewährleistet", heißt es in dem Beschluss des Zweiten Senats.

Aktenzeichen: 2 BvR 236/08 u.a. - Beschluss vom 12. Oktober 2011

(APD)
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