Nach Klage der Witwe Neue Ungereimtheiten im Fall Barschel

Kiel (RPO). Im Fall des 1987 in einem Genfer Hotel tot aufgefundenen CDU-Politikers Uwe Barschel gibt es eine weitere Ungereimtheit. Unter anderem wurden wichtige Beweisstücke nicht sachgemäß gelagert.

Barschel - Selbstmord oder Mord?
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Foto: AP

Nicht nur, dass Schleswig-Holsteins Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) am Donnerstag vor dem Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtags Verstöße der Lübecker Staatsanwaltschaft gegen die Bestimmungen zur Aufbewahrung von Beweismittel einräumen musste. Eines von ihnen nahm der damalige Chefermittler Heinrich Wille gleich ganz mit nach Hause.

Eigentlich sollte Schmalfuß den Parlamentariern nur berichten, wie das Asservat Nummer 84, ein auf dem Hotelbett sichergestelltes Haar, verschwinden konnte. Im Ausschuss musste er jedoch das Abhandenkommen eines weiteren Beweismittels einräumen. "Ein weiteres Asservat ist nicht mehr vorhanden", sagte Schmalstieg in der einstündigen Ausschusssitzung.

Dabei handelt es sich um ein im Hotelzimmer sichergestellte Buch der gesammelten Werke von Jean-Paul Sartre. Wille habe eingeräumt, das Buch mitgenommen zu haben, sagte Schmalfuß. Der mittlerweile pensionierte Jurist habe sich auf eine Erlaubnis der Politiker-Witwe Freya Barschel berufen.

Asservate wurden im "Barschel-Zimmer" aufbewahrt

Laut Schmalfuß wurden die Asservate in dem Fall nicht in der Asservatenkammer, sondern im "Barschel-Zimmer" der Lübecker Staatsanwaltschaft aufbewahrt. Zahlreiche Beweisstücke, die 1987 von den Ermittlern am Fundort der Leiche Barschels sichergestellt und kriminaltechnisch untersucht wurden, lagerten bis 1995 in der Schweiz. Danach wurden die Gegenstände der Staatsanwaltschaft in Lübeck übergeben.

Laut Schmalfuß erinnert sich ein mittlerweile pensionierter Beamter, dass auch ein Haar in Lübeck eintraf. Allerdings fehle es an notwendiger Dokumentation der Asservaten-Aufbewahrung.

Ende Juni hatte die Lübecker Staatsanwaltschaft DNA-Analysen von Asservaten angeordnet. Durch die Untersuchung von Hose, Krawatte und Socken Barschels sowie einem Badvorleger und einem Handtuch vom Fundort der Leiche erhoffen sich die Staatsanwälte neue Erkenntnisse. Auch das Haar, das nicht von Barschel stammen soll, sollte dabei untersucht werden.

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki forderte "Aufklärung über die Schlamperei in Lübeck". Der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka sagte, die Fragen zum Thema Asservate in dem Fall seien größer geworden. Er könne sich "nicht vorstellen, dass man sich die Dinge nicht noch einmal genauer anschaut".

Der SSW-Abgeordnete Lars Harms forderte disziplinarrechtliche Konsequenzen für Wille. "Wer in der Staatsanwaltschaft einen 'Barschel-Raum' einrichtet, Asservaten wie Devotionalien behandelt und sich Beweismittel wie Trophäen privat aneignet, zeigt nicht nur eine unprofessionelle Besessenheit, sondern sabotiert die objektive Aufklärungsarbeit der Justiz." Laut Ministerium prüft die Staatsanwaltschaft Lübeck bereits die Rechtmäßigkeit der Asservaten-Behandlung durch Wille.

Todesumstände bis heute ungeklärt

Der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Barschel war am 11. Oktober 1987 in der Badewanne seines Zimmers im Genfer Hotel "Beau Rivage" tot aufgefunden worden. Bis heute sind die Todesumstände nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ungeklärt.

Die Ermittlungen der Lübecker Staatsanwaltschaft wegen Verdachts des Mordes wurden im Juni 1998 eingestellt. Wille gilt als Vater der Mordtheorie. Schmalfuß sah am Donnerstag "keine Anhaltspunkte für eine Wiederaufnahme des Verfahrens".

(apd)
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