Sicherheitsbehörden in der Kritik Neonazi-Trio hatte 20 Unterstützer

Berlin/Düsseldorf · Der Thüringer Verfassungsschutz geht von etwa 20 Unterstützern in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt aus, die den drei rechtsextremen Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Untergrund geholfen haben.

 CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach will Landesverfassungsschutzämter zusammenlegen.

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach will Landesverfassungsschutzämter zusammenlegen.

Foto: dpa, Soeren Stache

Im Umfeld der Terrorzelle sollen Ende der 90er Jahre auch mindestens drei V-Leute gearbeitet haben, berichtete der "Spiegel". Dennoch sei es dem Verfassungsschutz nicht gelungen, das untergetauchte Trio aufzuspüren. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet von insgesamt sechs Beschuldigten, gegen die ermittelt werde.

Vor allem der Verfassungsschutz sieht sich massiver Kritik ausgesetzt, weil immer mehr peinliche Details über das Zwickauer Terror-Trio und seine in 13 Jahren nicht geahndeten Taten zutage treten. Mundlos und Böhnhardt konnten jahrelang mordend und raubend durch die Bundesrepublik ziehen, ohne dass die Sicherheitsbehörden davon eine Ahnung hatten.

Der rechtsextremistische Hintergrund von zehn Morden an Migranten und einer Polizistin zwischen 2000 und 2007 kam erst ans Licht, als Mundlos und Böhnhardt Anfang November Selbstmord begingen und drei Stunden später ihre Wohnung in Zwickau in die Luft flog.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wirft den Sicherheitsbehörden der Länder "klägliches Versagen" bei der Bekämpfung des rechtsextremen Terrors vor. Der Generalbundesanwalt soll mehr Kompetenzen erhalten. Berlin plant eine zentrale Gedenkfeier für die zehn Mordopfer.

Todesliste mit 10.000 Namen

Bei den Männern und in der Wohnung fand die Polizei später Tatwaffen und umfangreiches Datenmaterial, darunter eine auf DVD gespeicherte Liste mit 10.000 Namen möglicher weiterer Anschlagsziele und Mordopfer. Die ARD berichtete, dass Material, das die Terroristen zum Bau einer Rohrbombe benutzt hätten, aus Bundeswehr-Beständen stammen könnte.

Die Komplizin der Männer, Beate Zschäpe, hatte die Wohnung vermutlich gesprengt. Sie stellte sich wenig später der Polizei. Seit ihrer Festnahme schweigt sie. Sie will die Kronzeugenregelung für sich in Anspruch nehmen, die ihr Straferleichterungen versprechen würde.

Die jahrelange Ahnungslosigkeit der Sicherheitsbehörden hat eine breite Debatte über die Konsequenzen ausgelöst. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warf den Sicherheitsbehörden der Länder Versagen vor. "Es sieht so aus, als ob einige Behörden kläglich versagt haben."

Die eine oder andere Behörde werde sich einer "peinlichen Befragung unterziehen müssen", so Friedrich. Er wolle mehr Befugnisse für den Bund durchsetzen, sagte Friedrich dem "Spiegel". Der Generalbundesanwalt solle mehr Kompetenzen erhalten. Dadurch solle verhindert werden, dass die Staatsanwaltschaften der Länder den größeren Zusammenhang einer Verbrechensserie übersähen.

Die Bundesregierung hatte bereits am Freitag die Einrichtung eines Zentralregisters und eines gemeinsamen Abwehrzentrums der Ermittlungsbehörden und Geheimdienste angekündigt, um Rechtsextremisten zu bekämpfen.

Zusammenlegung von Verfassungsschutzämtern

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach forderte die Zusammenlegung von Landesverfassungsschutzämtern. In Deutschland seien 16 Landesämter und ein Bundesamt für den Verfassungsschutz zuständig. "Je kleinteiliger die Organisation, desto eher können wichtige Informationen fehlen und Reibungsverluste entstehen", sagte Bosbach unserer Redaktion. "Für Flächenländer wie NRW gilt das nicht, aber warum sollen zum Beispiel Berlin und Brandenburg oder Hamburg, Bremen und Niedersachsen die Aufgabe nicht gemeinsam erledigen?"

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) wandte sich gegen den Vorstoß. Eine wirksame Terrorismusbekämpfung brauche auch regionale und örtliche Kenntnisse: "Wer jetzt eine Strukturdebatte anfängt, hat nicht begriffen, dass es eine Vertrauenskrise gegenüber den Verfassungsschutzbehörden gibt", mahnte Jäger.

Jäger drängt die Bundesregierung, rasch die rechtlichen Grundlagen für die Speicherung von Strukturen und Netzwerken in der rechtsextremistischen Szene und deren Umfeld zu schaffen. Der Schritt sei dringend nötig, damit der Verfassungsschutz das bereits vorhandene Nachrichtendienstliche Informationssystem (Nadis) auch im Bereich Rechtsextremismus sinnvoll nutzen könne.

Bundespräsidialamt, Bundestag und Bundesregierung würden gemeinsam eine zentrale Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Mordserie vorbereiten, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

(RP/pst)
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