Fernsehbericht Noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche NS-Täter

Hamburg · Die Angeklagten sind teilweise über 90 Jahre alt, die Gräueltaten immens - noch immer laufen Verfahren wegen Nazi-Verbrechen. Doch nicht jedem reicht die Aufarbeitung.

Gerichtsverfahren gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof am Landgericht in Münster. (Archivbild)

Gerichtsverfahren gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof am Landgericht in Münster. (Archivbild)

Foto: dpa/Guido Kirchner

In Deutschland laufen nach Informationen des NDR-Magazins „Panorama 3“ noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher. Die Ermittlungen richteten sich gegen insgesamt 50 namentlich bekannte Beschuldigte, teilte der am Dienstag mit. Darunter seien auch Frauen. Vor allem KZ-Wachleute seien in den Fokus der Ermittlungen geraten. Allerdings sei bei einigen unklar, ob sie noch leben.

Wie eine Umfrage des Magazins ergab, beginnt im Oktober etwa am Landgericht Hamburg ein Verfahren gegen einen 93-Jährigen, der Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig gewesen sein soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vor. Ebenfalls in Hamburg laufen Ermittlungen gegen eine 97 Jahre alte ehemalige Aufseherin des KZ Bergen-Belsen, die 1945 an einem Todesmarsch beteiligt gewesen sein soll, bei dem 1400 Frauen getötet wurden.

Die meisten Verfahren laufen laut der Umfrage bei den Staatsanwaltschaften in Neuruppin und Erfurt. Auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Bayern sind demnach noch Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher anhängig.

Das Internationale Auschwitz-Komitee wirft Deutschland hingegen eine "bewusst versäumte juristische Aufarbeitung" von NS-Verbrechen vor. Für Überlebende des Holocaust sei das "ein fortwährender Skandal und ein Schmerz, der sie angesichts ihrer ermordeten Angehörigen bis zu ihrem Lebensende begleiten wird", erklärte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner am Dienstag in der Gedenkstätte Auschwitz.

Die allerwenigsten NS-Täter in den deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern hätten "jemals einen deutschen Gerichtssaal von innen gesehen", so Heubner. Daran änderten auch die "wegweisenden" Verfahren der vergangenen Jahre in Lüneburg und Detmold sowie noch anhängigen 29 Verfahren nichts. Dennoch empfänden die Überlebenden der Lager jedes dieser Verfahren als einen wichtigen Beitrag zur Gerechtigkeit.

(chal/dpa/kna)
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