Debatte um Arbeitsbedingungen Freunde hat die Fleischindustrie im Bundestag keine mehr

Berlin · Bei der Debatte über die Arbeitsbedingungen in der Branche war man sich im Bundestag einig: Das System ist kaputt und das sollte sich ändern. Die Abschaffung der Werkverträge und verpflichtende Arbeitszeiterfassung sollen dabei helfen.

 Die Bundestagsabgeordneten gingen mit der Fleischindustrie am Donnerstag hart ins Gericht.

Die Bundestagsabgeordneten gingen mit der Fleischindustrie am Donnerstag hart ins Gericht.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Freunde hat die Fleischindustrie im Bundestag keine mehr. Und selbst wenn, wissen diese genau, dass es jetzt besser ist, zu schweigen. In der Debatte über Arbeitsbedingungen in der Branche fielen fraktionsübergreifend Begriffe wie „Sklaverei“, „Ausbeutung“ und „kaputtes System“. Die Abgeordneten sind sich einig: Die Zustände sind katastrophal und sie müssen sich ändern. Sogar über das „Wie“ gibt es bei einer großen Mehrheit im Bundestag klare Übereinstimmungen. „Ich werde Werkverträge in der Fleischindustrie verbieten“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Bundesregierung sei entschlossen, die Umstände zu ändern, so Heil.

Klare Worte fand auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Es gehe bei der Fleischindustrie nicht um schwarze Schafe oder Einzelfälle, sagte Laumann. In NRW befindet sich der Großbetrieb Tönnies, in dem sich mehr als 1500 Arbeiter nachweislich mit Corona infiziert haben. Im ganzen System seien Missstände „vorprogrammiert“, sagte Laumann. Durch die Abschaffung der Werkverträge will die Bundesregierung das ändern.

Laut einer Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung arbeitet in der Fleischindustrie die Mehrheit der Beschäftigten im Schlachtbereich als Werkvertragsbeschäftigte. Dieses Vertragsverhältnis sei das „Grundübel“ in der Branche, sagte Jonas Bohl, Sprecher der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) dem „SWR“. Die Werkverträge seien das größte Problem in der Branche und ermöglichten den Betrieben, jegliche Verantwortung von sich zu schieben. Das Schlachten und Zerlegen von Fleisch, also der Kernbetrieb der Industrie, soll ab dem 1. Januar 2021 nur noch durch Arbeitskräfte des eigenen Betriebs erfolgen, das hatte die Bundesregierung bereits Ende Mai in ihrem Arbeitsschutzprogramm angekündigt.

Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung der Bedingungen in der Fleischindustrie könnte die digitale Arbeitszeiterfassung sein. Arbeiter aus Osteuropa haben in der Vergangenheit immer wieder über zusätzliche Arbeitsstunden berichtet, die nicht entlohnt würden. Damit können die Subunternehmen den Mindestlohn praktisch umgehen. So kommen auch die niedrigen Preise in der Großindustrie zustande. Das Schlachten eines Schweins koste bei Tönnies zehn bis zwölf Euro, sagte Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen. Bei Traditionsbetrieben koste es 25 Euro. „Das System ist schwach, das System ist krank“, sagte Ostendorff.

Die digitale Arbeitszeiterfassung wird ab 2021 für die Fleischindustrie verpflichtend, so sieht es das Programm Arbeitsschutz vor. „Bei jeder Wurst kann man sagen, aus welchem Schwein sie kommt“, sagte NRW-Arbeitsminister Laumann. Wenn das möglich sei, könne man auch digital messen, wie lange gearbeitet werde. Die Großbetriebe Tönnies und Westfleisch haben bereits vergangene Woche angekündigt, eine digitale Arbeitszeiterfassung einzuführen.

Auf die freiwillige Kontrolle der Branche, das wurde in der Diskussion am Donnerstag deutlich, vertraut im Bundestag allerdings kaum noch jemand.

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