Nach Absagen am Rosenmontag Alle reden vom Wetter

Düsseldorf · Nach vielen Zugabsagen am Rosenmontag stehen auch die Meteorologen in der Kritik. Sie hätten zu viel Wind um den Sturm gemacht, heißt es. Tatsächlich ist die Wetterprognose verlässlicher geworden, aber eben nicht exakt.

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Foto: dpa, bsc

Das Wetter von morgen lässt sich heute zwar deutlich besser vorhersagen als noch vor 50 Jahren, ein Quäntchen Ungewissheit aber bleibt. Sicher ist nur: Es wird Wetter geben. Das galt auch für die Rosenmontags-Prognose. Angekündigt waren fürs Rheinland schwere Sturmböen, die sich in Köln als laues Lüftchen entpuppten und in Düsseldorf zumindest am Nachmittag durchaus ruppig auftraten. Vorher schauten viele Jecken auf der Kö und andernorts allerdings etwas ratlos in den teils wolkenlosen Himmel: Dafür wurde der Zug abgesagt, während die Kölner andere ausgelassen feierten? ARD-Meteorologe Karsten Schwanke goss noch Öl ins Feuer, indem er twitterte, dass die Düsseldorfer Absage für ihn ein Rätsel sei. Waren die Karnevalisten dort tatsächlich übervorsichtig? Oder die Meteorologen zu hysterisch und vor allem: zu ungenau?

Über die Grenzen des Möglichen

"Die Erwartungshaltung geht heute ein Stück weit über die Grenze des physikalisch Möglichen hinaus", formuliert es Meteorologe Frank Böttcher, Geschäftsführer des Hamburger Instituts für Wetter- und Klimakommunikation und Veranstalter des ExtremWetterKongresses. Die Vorhersagen für den Rosenmontag, gerade des Deutschen Wetterdienstes (DWD), hätten die Situation sehr gut erfasst. Nur sei heute jeder mit einem Mobiltelefon unterwegs und erwarte präzise Prognosen für seinen Standort. "Das ist ja schon deshalb nicht leistbar, weil es nicht an jeder Kreuzung einen Windmesser gibt", sagt Böttcher. Tatsächlich stehen die Wetterstationen, die Temperatur, Niederschlag und Windstärke registrieren, meist kilometerweit auseinander. Böttcher: "So liegt allen Berechnungen sozusagen ein Anfangsfehler zugrunde: Wir können uns der Wahrheit nähern, werden sie aber nie genau treffen."

Vorhersagen haben sich enorm verbessert

Trotzdem hat sich die Qualität der Wettervorhersage enorm verbessert. So war die Prognose im Jahr 1960 für den nächsten Tag so gut wie heute für den fünften Tag. Die Trefferquote einer 24-Stunden-Prognose liegt heute zwischen 90 und 95 Prozent, sagt Dominik Jung vom Wetterportal wetter.net, für die ersten 72 Stunden bei immerhin noch 80 bis 85 Prozent. Danach sinkt die Zuverlässigkeit rapide. Zudem lässt sich nicht jede Wetterlage gleichermaßen gut einschätzen. Bei einer stabilen Hochdrucklage etwa sind kaum Überraschungen zu erwarten; eine zyklonale West-Wetterlage aber, wie sie am Rosenmontag herrschte, ist schwer zu erfassen. "Dennoch haben wir die Lage richtig eingeschätzt", sagt DWD-Meteorologe Adrian Leyser. "Wir haben gesagt, dass die Gefahr, dass schwere Sturmböen eintreten, zwar gering sei, das damit verbundene Risiko, wenn sie kommen, aber zu hoch."

Die Schwierigkeit, solche Phänomene zu kalkulieren, liegt an den dynamischen Prozessen in den Tiefdruckgebieten. Schauer und Gewitter bilden sich spontan und bringen in ihrem Umfeld teils schwere Sturmböen mit. Das war auch am Montag in Düsseldorf so. Wo diese sogenannten Gewitterzellen auftreten, lässt sich nicht vorhersagen. "Das ist ein großes Problem", sagt Leyser, "die fallen durch das Raster unserer Modelle." Es lässt sich nur eine Wahrscheinlichkeit angeben, dass diese Zellen auftreten und damit auch entsprechende Windspitzen. Dazu kommt der jeweilige Stadteffekt: Straßenschluchten und Gebäude bremsen den Wind ab und beschleunigen ihn, es bilden sich Strudel und Wirbel. "Als Meteorologe muss man davon ausgehen, dass die ohnehin erwartete Windstärke in den Metropolen noch höher liegt", erklärt Böttcher. "Das sollte mit in die Vorhersage einfließen."

Damit kommt man zu einem weiteren wesentlichen Aspekt eines zuverlässigen Wetterberichts - dem Meteorologen. Denn der muss die Ergebnisse der Computer-Wettermodelle auswerten und regional herunterbrechen. Mehr oder weniger arbeiten alle Wetterdienste mit denselben, teils weltweit operierenden Systemen, die stündlich Millionen von Daten sammeln und auswerten. Stark vereinfacht wird dabei über die Welt ein Gitter gelegt, dessen Maschenlänge je nach Modell 30 oder auch zehn Kilometer betragen kann. Die Ergebnisse dieser Datensammlungen lassen sich aber nicht unbearbeitet übernehmen, sie müssen interpretiert, verglichen, bewertet werden. "Es kommt also auch sehr auf die Erfahrung des Meteorologen an und beispielsweise auf seine Kenntnisse der regionalen Topographie", sagt Jung. Natürlich kann sich der menschliche Faktor auch als Fehlerquelle erweisen. "In Einzelfällen kann man mal daneben liegen", sagt Leyser. "Die Atmosphäre ist ein chaotisches System und bleibt bis zu einem gewissen Grad unberechenbar."

"Wir wissen nicht genau, wann und wo"

Für die Meteorologen ist das eine Crux: Sie wissen, dass sie trotz größter Genauigkeit und unglaublich leistungsfähigen Computern sich den wirklichen Verhältnissen nur annähern können, auf der anderen Seite aber von ihnen erwartet wird, das Wetter für die Grillparty, den Sonntagsausflug oder das Tennismatch möglichst stundengenau vorzuempfinden. "Deshalb greifen wir Meteorologen gerne zur Formulierungen wie ,Es kann vereinzelt zu schweren Sturmböen kommen'", sagt Böttcher. "Das heißt: Wir wissen nicht genau, wann und wo, nur dass es sie höchstwahrscheinlich geben wird."

Aber wie lässt sich die Wettervorhersage weiter präzisieren, wohlwissend, dass es eine hundertprozentig sichere Prognose nicht geben kann? Für Böttcher geht das nicht mit moderneren Computern, die ohnehin zu den leistungsstärksten der Welt zählen. Sondern, indem die Zahl der Wetterstationen vergrößert wird, um das Messnetz möglichst engmaschig zu gestalten. "Nur so bekommen wir die belastbaren Daten, die ich mir wünschen würde", sagt Böttcher. Aber solche Stationen zu betreiben, ist teuer. Wäre doch auch schade, wenn nicht mal mehr das Wetter für eine Überraschung gut ist.

(RP)
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