Urteil Mutter der einbetonierten Babys muss neun Jahre ins Gefängnis

Gera (rpo). Die Mutter der einbetonierten Babys von Thüringen ist für schuldig befunden worden, ihre Kinder getötet zu haben. Sie muss für neun Jahre ins Gefängnis. Ein rechtsmedizinisches Gutachten hatte allerdings nicht zweifelsfrei klären können, ob die Babys bei der Geburt tatsächlich noch gelebt hatten - die Angeklagte hatte dies bestritten.

"Ich war nicht schwanger. Ich wollte nicht schwanger sein!" Mit diesen Worten hatte Sabine K. im Prozess vor dem Landgericht Gera ihre Situation zu schildern versucht. Sie hatte damit keinen Erfolg: Der Vorsitzende Richter Reiner Maul bezichtigte sie der Lüge und verurteilte die 44-jährige Kindergärtnerin wegen zweifachen Totschlags.

Der Fall der beiden 1992 und 1994 im Keller ihres Hauses vergrabenen und einbetonierten Kinderleichen hatte Aufsehen erregt. In der Silvesternacht 2005, als sich Sabine K. entschlossen hatte, mit einem anderen Mann ein neues Leben anzufangen, hatte Ehemann Hans-Michael K. Anzeige erstattet. Mehrmals zuvor hatte der heute 49-jährige Arbeitslose nach Aussage der Frau Druck auf sie ausgeübt mit den Worten: "Du hast ja noch zwei Kinderleichen im Keller." Diesmal hatte er die Drohung wahrgemacht.

Die Polizei brach den Beton auf und fand darunter die stark verwesten, zum Teil skelettierten kleinen Körper, eingewickelt in Tüchern und umhüllt von Plastiksäcken. Hans-Michael K. wusste die Stellen sofort, denn es war seine Idee gewesen vor 14 Jahren. Er hatte die Babyleichen vergraben und auch den Beton darüber gegossen. Ihn konnte man allerdings nicht mehr belangen, denn der Tatbestand der Beihilfe ist verjährt.

Im Prozess wurde deutlich, wie sehr Sabine K. diese beiden Schwangerschaften nicht wahrhaben wollte. Sie wehrte sie aus tiefster Seele ab und spielte Tag für Tag weiter den treuen Lastesel der Familie. Sie trug die gleichen Kleider, umsorgte ihre beiden 1983 und 1987 geborenen Mädchen Peggy und Anne, die über sie aussagten, sie hätten ihre Mutter wie eine Freundin erlebt. Sabine K. ging zur Arbeit, wo sie von den Kollegen geschätzt wurde. Sie pflegte zudem auch die Großmutter und den kranken Schwiegervater.

Niemand in ihrer Familie oder im Kollegenkreis bekam etwas mit von der Schwangerschaft mit, schon gar nicht der häufig betrunkene Ehemann. Der schlug sie und trat sogar nach ihr. Sie konnte sich aber nicht von ihm trennen, weil sie "ein Selbstbehauptungsdefizit" hatte, wie der psychiatrische Gutachter Matthias Lammer sagte. Sie habe nicht die Kraft aufbringen können, sich gegen andere zu stellen. "Lieber bürdet sie sich noch einen Stein auf, als mit anderen im Streit zu leben."

"Das war keine Geburt"

Nach eigener Aussage hat Sabine K. die beiden "Geburten" wie einen Film erlebt: Sie habe starke Schmerzen bekommen und sei auf die Toilette gegangen. "Das war keine Geburt, verglichen mit den anderen beiden." Sie habe das leblose Kind herausgenommen und in ein Badetuch eingewickelt, bevor sie umgefallen sei. Mehr wisse sie nicht. Sie wisse auch nicht, wie man eine Nabelschnur durchtrennen könne. Am nächsten Tag ging sie zur Arbeit als sei nichts geschehen.

Für die Verteidigerin Birgit Wolf lautet die entscheidende Frage, ob die Kinder bei der Geburt gelebt hätten. Das habe das Gericht nicht zweifelsfrei nachweisen können. Der rechtsmedizinische Gutachter habe dargelegt, dass Nachforschungen dazu objektiv nicht mehr möglich seien. Und wenn nicht nachgewiesen werden könne, ob die Babys gelebt hätten, dann müsse nach dem alten Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" verfahren werden, sagte Wolf.

Dies aber sah das Gericht anders: "Ihr gesamtes Verhalten nach den Geburten macht deutlich, dass Sie etwas verbergen wollten", schlussfolgerte der Vorsitzende Richter. Wenn die Kinder tot zur Welt gekommen wären, dann hätte dies ein Arzt feststellen können. Man hätte die Babys auf dem Friedhof begraben und nicht im Keller unter einem Betonsockel, sagte Maul. Die Verteidigung kündigte Revision gegen das Urteil an, das sie als "ganz schön heftig" empfand.

(ap)
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