Missbrauchsbeauftragter Rörig „Missbrauchstäter sind Meister der Täuschung“

Münster · Der Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs sieht die Täter gegenüber den Ermittlungsbehörden im Netz technisch meist weit voraus. Zudem seien die Täter im Alltagsleben sehr oft Meister der Täuschung.

 Johannes-Wilhelm Rörig, unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (Archivbild).

Johannes-Wilhelm Rörig, unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (Archivbild).

Foto: dpa/Fabrizio Bensch

Der Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs dringt auf eine konkrete Aufklärung im Missbrauchsfall Münster. Die Frage sei, „ob wichtige Hinweise möglicherweise übersehen wurden und zum Beispiel deshalb der sexuelle Missbrauch nicht früher aufgedeckt wurde“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Der Beauftragte der Bundesregierung schränkt aber ein, dass es für die zumeist sehr engagierten Beschäftigen der Jugendämter generell sehr viel schwerer sei, sexuellen Missbrauch von Kindern zu erkennen als zum Beispiel körperliche Misshandlungen oder Vernachlässigung.

„Oft fehlen für sexuelle Gewalt erkennbare Indizien. Kinder und auch Mitwissende aus dem sozialen Umfeld stehen oft unter einem enormen Schweigedruck. Missbrauchstäter sind Meister der Täuschung. Ihre perfiden Strategien sind voll darauf ausgerichtet, ihr Umfeld zu verwirren, um unentdeckt zu bleiben“, sagte Rörig.

Die Stadt Münster hatte am Samstag eingeräumt, dass das Jugendamt der Stadt Kontakt zu der Familie von einem der Opfer des Missbrauchsfalls hatte. Die Familie sei den Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, „weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war“, teilte die Stadt am Samstag mit. In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt. 2015 habe das Familiengericht keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen Verantwortung zu nehmen.

Der Fall in Münster zeichnet sich nach Auskunft der Ermittler auch durch seine hochprofessionelle technische Ausstattung zur Videoaufzeichnung und Datenverschlüsselung aus. Rörig geht aber dennoch nicht von einem Einzelfall dieser Art aus. „Allein 2019 gab es mehr als 12.000 Ermittlungs- und Strafverfahren in Deutschland wegen sogenannter Kinderpornografie.“

Missbrauchstäter im Netz seien den Ermittlungsbehörden technisch sehr oft voraus. Sie passten sich den Möglichkeiten, aber auch Aufdeckungsgefahren an und professionalisierten sich im Netz, sagte Rörig. „Sie setzen modernste IT-Technik ein, weshalb es ungemein wichtig ist, eine personell gut ausgestattete Polizei ihrerseits mit modernster Ermittlungstechnik auszurüsten und die Ermittlungsinstrumente der Strafverfolgung weiter zu schärfen.“

(felt/dpa)
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