Berufungsprozess in München Ex-Nationalspieler Jérôme Boateng erneut vor Gericht

München · Es war eine Marathon-Verhandlung: Nach einem mehr als zehn Stunden langen Prozesstag verurteilte das Amtsgericht München Jérôme Boateng im September 2021 wegen Körperverletzung. Doch das Urteil war nicht rechtskräftig. Der Fall ist noch nicht vorbei.

Der Fußball-Profi und ehemalige Nationalspieler Jerome Boateng steht zu Beginn des Prozesses gegen ihn im Amtsgericht München. (Archivfoto)

Der Fußball-Profi und ehemalige Nationalspieler Jerome Boateng steht zu Beginn des Prozesses gegen ihn im Amtsgericht München. (Archivfoto)

Foto: dpa/Peter Kneffel

Die Welt, wie Jérôme Boateng sie auf Instagram zeigt, ist eine glamouröse: Cool, mit Sonnenbrille, posiert er in Lyon oder Mailand. Er springt von einer Jacht ins türkisblaue Meer, jubelt mit dem Champions-League-Pokal oder der Meisterschale in den Händen und zeigt sich mit berühmten Kollegen wie Robert Lewandowski und Bastian Schweinsteiger.

An diesem Donnerstag aber muss Boateng diese Glitzerwelt einmal zumindest kurzzeitig verlassen für einen Ausflug in die graue Realität des Münchner Strafjustizzentrums: Dann beginnt vor dem Landgericht München I sein Berufungsprozess wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im berüchtigten Saal 101, in dem das Amtsgericht ihn im September 2021 zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt hatte.

Der Richter sah es damals als erwiesen an, dass der langjährige Fußball-Nationalspieler, der heute bei Olympique Lyon unter Vertrag steht, seiner Ex-Freundin bei einem gemeinsamen Urlaub im Jahr 2018 ins Gesicht geschlagen hat. Weil dieser Urlaub in einem Luxusresort auf den karibischen Turks- und Caicosinseln stattfand, hat die Justiz das Verfahren, für das zwei Verhandlungstage angesetzt sind, „Karibik“ getauft.

Nicht nur Boateng hat gegen das Urteil aus dem vergangenen Jahr Berufung eingelegt, die Staatsanwaltschaft und seine Ex-Freundin, die in dem Verfahren als Nebenklägerin auftritt, auch.

„Wir erhoffen uns ein faireres Verfahren“, sagt Boatengs neuer Verteidiger Norman Nathan Gelbart der Deutschen Presse-Agentur. Das Amtsgericht hatte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30.000 Euro verhängt. 30.000 Euro sind zwar der höchstmögliche Tagessatz, Boateng ist damit aber nicht vorbestraft. Erst ab 90 Tagessätzen gilt man als vorbestraft.

Die Staatsanwaltschaft, die von gefährlicher Körperverletzung ausgeht, hatte in dem Verfahren eine Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren und eine Geldauflage von 1,5 Millionen Euro, Boatengs damaliger Verteidiger Kai Walden einen Freispruch gefordert.

Nach seiner Verurteilung im vergangenen Jahr hatte Boateng seinen Anwalt ausgetauscht. „Die Verteidigung vertritt die Auffassung, dass in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht München wichtige, Herrn Boateng entlastende Umstände nicht beziehungsweise nicht ausreichend gewürdigt wurden“, teilt der neue Anwalt, Gelbart, auf Anfrage weiter mit. „Wir sind optimistisch, dass es in wesentlichen Fragen zu neuen Erkenntnissen kommen wird.“

Das Bild, das Boatengs Ex-Freundin und Mutter seiner Zwillingsmädchen vor Gericht von ihrem früheren Partner zeichnete, passte so gar nicht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit jahrelang von dem Weltklasse-Innenverteidiger hatte, von dem Idol und Fußball-Weltmeister von 2014. Denn das Bild, das sie vor Gericht zeichnete, war das eines Gewalttäters.

„Mit dem Daumen hat er mein Auge so gegriffen“, sagte die Frau damals vor Gericht. „Er hat an meinen Haaren gerissen, mir dann in den Kopf gebissen“. Angespuckt habe er sie. Auf die Knie sei sie dann gefallen, bevor er ihr so stark „in die Niere geboxt“ habe, dass sie keine Luft mehr bekommen habe. Der Vorfall sei nicht der erste Vorfall dieser Art gewesen, sagte die Frau. Aber der heftigste.

Boateng hatte die Vorwürfe vor Gericht abgestritten und den Vorfall ganz anders geschildert. Geschlagen, so betonte er, habe er seine Ex-Freundin nie. Ein Gutachter aber hielt eher die Version der Nebenklägerin für die wahrscheinliche und dieser Einschätzung folgte dann auch das Gericht. Wie die zweite Instanz das Geschehen einschätzt, soll voraussichtlich am 21. Oktober feststehen. Dann könnte das neue Urteil fallen.

(albu/dpa)
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