Drama um unschuldigen 17-Jährigen Mordfall "Lena" kommt ins TV

Köln · Im Mordfall der elfjährigen Lena aus Emden stand der Hauptverdächtige schnell fest. Eine Kleinstadt erhob sich zum Richter. Im Internet gab es Lynchaufrufe. Doch nach drei Tagen stellte sich heraus: Der 17-Jährige war unschuldig. Sat.1 verfilmt das Drama jetzt.

Fall Lena: Chronologie der Ereignisse
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Foto: dpa, Carmen Jaspersen

Auf dem Auto prangt das Wort "Mörder", Steine fliegen durch die Fensterscheibe ins Haus und die Nachbarn sind sich schon lange einig: Der Sohn von nebenan war's. Unter dem Arbeitstitel "Nichts mehr wie vorher" laufen in Köln zurzeit die Dreharbeiten für einen neuen Sat.1-Film, in dem es genau darum gehen soll: Die Verurteilung eines Jugendlichen nach einer Gräueltat in einer Kleinstadt. Soziale Netzwerke und Medien mischen kräftig auf, die Polizei beugt sich dem öffentlichen Druck und das Leben einer Familie gerät aus dem Gleichgewicht.

Als Vorlage für ihren neuen Film diente den Produzenten Michael Souvignier ("Contergan", "Das Wunder von Lengede") und Dominik Frankowski der Mordfall "Lena" im ostfriesischen Emden. Die wahre Geschichte wurde im Drehbuch jedoch verfremdet. Während das elfjährige Mädchen im März 2012 mit einem Nachbarsjungen zum Entenfüttern aufbrach und anschließend von ihm in einem Parkhaus erwürgt wurde, ist das Opfer im Film ein Junge.

Halbwahrheiten und Leistungsdruck

"Wir wollten uns soweit wie möglich vom Originalfall entfernen und nur die gesellschaftlichen Mechanismen aufzeigen, die dahinter stehen", sagte Souvignier der Nachrichtenagentur dpa. Es solle um Halbwahrheiten gehen, die sich im Internet verbreiten, um Leistungsdruck der Polizei, und im Mittelpunkt eine Familie, deren Sohn des Mordes bezichtigt wird. "Wir wollen behutsam zeigen, was diese Leute fühlen, denken und aushalten müssen - bis sie zum Schluss in dem Ort einfach nicht mehr wohnen können."

Im Emder Fall war es die Familie eines 17-jährigen Berufsschülers, der unschuldig in U-Haft saß. Im Film dreht sich alles um die Gudermanns, gespielt von Annette Frier, Götz Schubert, Elisa Schlott und Jonatan Jakobsson, die zusehen müssen, wie der älteste Sohn und Bruder an den Pranger gestellt wird. Jonas Nay ("Homevideo") übernimmt in "Nichts mehr wie vorher" die Rolle des 16-jährigen Daniels. Während der Soko-Leiter (Thomas Sarbacher) in alle Richtungen ermittelt, will die junge Hauptkommissarin (Bernadette Heerwagen) den Gudermann-Sohn schnell als Täter überführen.

"Vor vorschnellen Verurteilungen ist man nicht gefeit", glaubt Schauspielerin Annette Frier. Aus der Distanz sehe man natürlich schnell die Fehler, die gemacht wurden. "Ich selbst bin aber immer skeptisch, wenn solche Gruppendynamiken entstehen."

Gedankenspiel der Film-Mutter

"Nichts mehr wie vorher" handle jedoch nicht nur von Lynchjustiz, sondern sei vor allem ein intimer, Familien-psychologischer Film. An der Rolle habe sie das Gedankenspiel der Film-Mutter gereizt. "Was bedeutet das, wenn man sich fragen muss: "Kann das sein, dass mein eigener Sohn jemanden umgebracht hat?" Und was würde das für die Mutter heißen? Wie geht man mit diesem diffusen Schuldgefühl um?"

Die Eltern des wahren verdächtigen Jungen haben das Vorhaben, aus ihrem Drama einen Film zu drehen, laut Souvignier positiv aufgenommen. Bis zum 17. März dauern die Dreharbeiten noch an. Regie führt Oliver Dommenget. Ein Sendetermin steht noch nicht fest.

(lnw/sgo)
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