Gedanken zum Karfreitag Mit Eva kam auch die Sünde in unsere Welt

Düsseldorf · An Karfreitag gedenken Christen der Kreuzigung Jesu. Sein Tod soll die Menschen endlich befreien von dem im Paradies begangenen Frevel.

 So stellte sich Albrecht Dürer den Sündenfall vor. Der berühmte Kupferstich aus dem Jahr 1504.

So stellte sich Albrecht Dürer den Sündenfall vor. Der berühmte Kupferstich aus dem Jahr 1504.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Warum denken wir immer zuerst an Eva, wenn es um den Schöpfungsbericht geht? War Adam nicht der erste Mensch? Und wurde aus Adams Rippe nicht Eva, seine Frau, erschaffen? Das sind fast rhetorische Fragen, denn wir alle wissen oder ahnen doch, warum Eva in dieser biblischen Geschichte stets die Hauptfigur bleiben wird. Sie ist - salopp, also profan gesprochen: einfach viel spannender als Adam. Der ist wahrlich kein Rebell; und Eva ist es im Grunde auch nicht. Aber sie begehrt wenigstens auf. Sie ist die Aktive, die Neu- und Wissbegierige. Eva - von der teuflischen Schlange verführt - übertritt jenes göttliche Gebot, die Früchte vom Baum der Erkenntnis nicht zu essen. Gemeinsam mit Adam wird sie aus dem Paradies "vertrieben", wie es heißt.

Das ist mehr als nur ein ungemütlicher Ortswechsel. Adam und Eva werden fortan sterblich sein. Die ersten und mit ihnen alle Menschen müssen wieder zu jenem Staub zurückkehren, aus dem sie geschaffen wurden. Zudem sollen alle Frauen ihre Kinder unter Schmerzen gebären und Verlangen nach dem Mann haben, während dieser zu harter Arbeit gezwungen wird, um alle ernähren zu können.

Die Ursünde, die Erbsünde

Die Missachtung des Gottesgebotes gilt als Ursünde, auch Erbsünde. Doch darüber wird gestritten. Denn kann es tatsächlich so etwas wie eine biologische Übertragung von Schuld geben? Sind wir mit Evas Tat und Adams Folgetat alle Sünder geworden?

Der sogenannte Sündenfall ist auch deshalb eine so große und lebendige Erzählung geblieben, weil sie zum Ursprung der Menschheit mehr Fragen stellt als Antworten gibt. Eine der zentralen Unklarheiten stellt Eva fast einen Freispruch in Aussicht: Wenn nämlich erst mit der Frucht vom Baum der Erkenntnis der Mensch fähig wird, Gut von Böse zu unterscheiden, so geschieht der Tathergang in einem Zustand völliger Unwissenheit und Unschuld. Denn wie soll Eva wissen, was gut und was böse ist, wenn sie die Frucht noch gar nicht gegessen hat? Die Frage, so berechtigt sie sein mag, wird keine Antwort finden, da der Einzige, der sie beantworten könnte, Gott ist. An ihn wendet sich indirekt auch der US-amerikanische Pulitzerpreisträger Stephen Greenblatt in seinem jüngsten Buch über das erste Paar Menschheit: "Hätte der allwissende Schöpfer nicht vorhersehen müssen, was seine Geschöpfe tun werden?" Und: Wie konnte der Erkenntnis-Frevel "von Geschöpfen ausgehen, die nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden"?

Zu klären ist das nicht, wohl aber zu bedenken. Vor allem dies: Ohne diese Sünde gebe es nicht diese Welt, so wie wir sie kennen. Ohne Ursünde bräuchten wir auch keine Erlösung. Die Geburt Jesu wäre überflüssig, wenn er mit seinem Tod am Kreuz nicht die Menschen von einer Sünde befreien müsste. Die aber war so groß, dass Gott das höchste Opfer brachte: seinen Sohn, den neuen Adam, wie er auch genannt wird. Die Nachfolge zum alten Adam sollte auch dadurch glaubhaft werden, indem Theologen als Sterbeplatz des ersten Menschen den Kalvarienberg vermuteten. Das Blut Jesu sollte somit über den sündigen Adam geflossen sein.

Hinter dem Sündenfall scheint ein großer Plan zu stehen. Der macht die Geburt Jesu notwendig, die Kreuzigung, die Auferstehung Jesu - und die ritualisierte Erinnerung ans letzte Abendmahl in der Eucharistie. Eva bleibt dann zwar eine Sünderin in der Übertretung des Gebots. Aber sie scheint nach Gottes Plan gehandelt zu haben.

Die Geschichte von Adam und Eva ist die spannende Geschichte unserer Weltentstehung. Und die setzt ein mit der Vertreibung aus dem Paradies. Vieles von dem, was als Strafe gelten soll, gehört fest zu unserem Leben und gilt selten als Pein: Die Zeit wird erfunden, die Sexualität entdeckt, wir empfinden Scham und verrichten Arbeit. Im Grunde steckt dahinter das Bewusstsein von Individualität.

Und das ist nicht erst eine Deutung von anmaßenden Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts. Mit dem Sündenfall fand der Mensch seinen Weg aus "dem Paradies der Unwissenheit und Knechtschaft", so Friedrich Schiller. Wohin er dann fliehen musste, erschien dem Dichter als ein anderes Paradies, das "der Erkenntnis und der Freiheit".

Der 23. Oktober 4004 vor Christi

In dieser großen Erzählung rumort es nach wie vor. In früheren Zeiten war man darum auch bemüht, trotz der Fragen an unser gegenwärtiges Leben wieder Ruhe zu bewahren, indem ziemlich genaue Vorstellungen vom Leben im Paradies kolportiert wurden. Im 17. Jahrhundert glaubte man sogar zu wissen, wann das Paradies erfunden wurde, nämlich am 23. Oktober 4004 vor Christi. Außerdem glaubte man einen ziemlich guten Überblick über das so früh verlorene Reich zu haben: Dort lebte man ganz ohne Mühe, vertrieb sich die Zeit (die es noch gar nicht gab!) bei ewigem Frühling mit ein bisschen Gartenarbeit, es gab keine Berge, keine Krankheiten, erst recht nicht den Tod. Diese bukolischen Beschreibungen waren zwar keine Antworten auf berechtigte Fragen, sie malten aber ein sehr schönes Bild von dem Leben in seinen Anfängen - und sollten den Verlust umso schmerzlicher machen.

Die ersten Menschen scheinen außerhalb des göttlichen Paradieses dennoch keine Höllenqualen gelitten zu haben. Adam soll immerhin 930 Jahren alt geworden sein und derart viele Kinder gezeugt haben, dass Eva einen Teil der Kinderschar vor Gott versteckte. Sie fürchtete, dass der Messias ihr die Lust übelnehmen würde. Der Allwissende durchschaute die Frau freilich und strafte sie ein zweites Mal , indem er die vor ihm versteckten Kinder unsichtbar machte.

(los)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort