Odenwaldschule Missbrauch noch Mitte dieses Jahrzehnts

Hamburg/Frankfurt (RPO). Die von Missbrauchsskandalen erschütterte Odenwaldschule kommt nicht zur Ruhe: An dem reformpädagogischen Institut in Hessen gab es noch in diesem Jahrzehnt Übergriffe auf Schüler. Ermittler zeigten sich derweil erschüttert über Einzelheiten der Fälle von sexuellem Missbrauch an der katholischen Klosterschule Ettal.

Missbrauch an der Odenwaldschule
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Ein Übergriff an der Odenwaldschule habe sich "noch bis zur Mitte dieses Jahrzehnts" hingezogen, sagte der Frankfurter Opferanwalt Thorsten Kahl dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Der betroffene Ex-Schüler wolle jedoch derzeit nicht die Staatsanwaltschaft einschalten, weil er unter dem Druck ehemaliger Mitschüler stehe, den Ruf der Schule nicht noch weiter zu beschädigen.

In der vergangenen Woche hatten Berichte für Aufsehen gesorgt, denenzufolge an der reformpädagogisch orientierten Odenwaldschule bis in die 90er Jahre Schüler von Lehrern sexuell missbraucht worden seien. Nach Angaben der Rektorin Margarita Kaufmann wurden mehr als acht Lehrer von Ex-Schülern belastet. Die Zahl der mutmaßlichen Missbrauchsopfer liegt bei etwa 40. Zuletzt war in den Medien auch über Misshandlungen von Schülern durch andere Schüler berichtet worden.

Von Funktion entbunden

Nach dem Bericht des "Spiegels" beschuldigen zudem mehrere um Aufklärung des Skandals bemühte Ex-Schüler einen noch heute an der Schule tätigen Lehrer, einen schwer belasteten Ex-Kollegen zu schützen. Der Lehrer habe vertrauliche Informationen aus der E-Mail eines Missbrauchsopfers an seinen inzwischen pensionierten Kollegen Jürgen K. weitergegeben, berichtete der "Spiegel". K. werden sexuelle Übergriffe und anderes schweres Fehlverhalten angelastet. Der Lehrer bestreitet, dass die Information vertraulich gewesen sei. Weitere Vorwürfe gibt es laut "Spiegel" gegen einen ehemaligen Lehrer, der den Gebrauch harter Drogen in der Schule geduldet und gedeckt haben soll.

Die Schule hat den EDV-Verantwortlichen indes mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion entbunden. Wie die Schule am Samstag mitteilte, wurde die Verantwortung für die IT-Betreuung und die Schulhomepage an eine andere Firma übertragen. Diese Aufgaben seien bislang von einer Firma übernommen worden, in der der Bruder des betreffenden Mitarbeiters tätig sei.

Berichte über Skistock-Prügeleien

Unterdessen wurden auch neue Einzelheiten zu den Missbrauchsfällen im Kloster Ettal bei Garmisch-Partenkirchen bekannt. Die Schilderungen über den jahrzehntelang anhaltenden massenhaften Missbrauch von Schülern in Ettal hätten ihm den Schlaf geraubt, sagte Sonderermittler Thomas Pfister, der die Vorwürfe untersucht, dem Magazin "Focus". "Es waren Berichte über so abartige Gräueltaten, dass ich nachts nicht einschlafen konnte." Mehrere Geistliche sollen in dem oberbayerischen Kloster weit mehr als einhundert Schüler systematisch gequält und sexuell missbraucht haben. Die mutmaßlichen Opfer berichteten von Prügeln mit Skistöcken, von durch Schläge geplatzten Trommelfellen und von lebendigen Molchen, die sie essen mussten.

Der Sexualforscher Oswalt Kolle sagte der Zeitung "Welt am Sonntag", die katholische Kirche müsse sich die Frage stellen, ob der Priesterberuf auch Pädophile anziehe. Einen Zusammenhang mit dem priesterlichen Keuschheitsgebot sehe er allerdings nicht: "Pädophilie ist eine schwere Absonderlichkeit." In der DDR habe es weniger sexuellen Missbrauch als in der Bundesrepublik gegeben, weil die Gesellschaft sexuell freier gewesen sei, sagte Kolle weiter. Zum einen sei der Umgang mit Sexualität "viel freizügiger" gewesen, zum anderen habe die Kirche auch eine eher politische Rolle gehabt und nicht wie im Westen "in die Betten der Gläubigen reinregiert".

(AFP/apd/fb)
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