Rheinischer Präses Schneider im Interview Missbrauch: Kirchen müssen nacharbeiten

(RP). Der rheinische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat die Landeskirchen im Umgang mit Missbrauchsfällen zu mehr Anstrengungen aufgefordert. "Wir müssen auf einen vergleichbaren Level kommen", sagte Schneider im Interview mit unserer Redaktion.

Rheinischer Präses Schneider im Interview: Missbrauch: Kirchen müssen nacharbeiten
Foto: RP/ Krebs

Mitte Mai hatte die nordelbische Landeskirche im Umgang mit Missbrauchsfällen Mängel in der Dienstaufsicht auf allen Ebenen eingeräumt. Im Zuge des Skandals war 2010 die nordelbische Bischöfin Maria Jepsen zurückgetreten. Der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider spricht im Interview über den evangelichen Kirchentag, Ökumene und den Missbrauchs-Skandal.

Präses Schneider, heute beginnt der Evangelische Kirchentag in Dresden — nach Leipzig 1997 erst der zweite in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung. Was macht Kirchentage im Osten anders als im Westen?

Schneider Das evangelisch geprägte soziale Netz ist im Osten viel dünner, als wir es hier gewohnt sind.

Auch in Sachsen sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder. Erleben Sie es noch, dass sie wieder steigen?

Schneider Die Zahlen sinken vor allem wegen des allgemeinen Bevölkerungsrückgangs. Ich hoffe aber, dass nach einer Generation unsere Zahlen in den östlichen Landeskirchen besser sind als jetzt. Für solche Veränderungen gibt es ja ein biblisches Maß: Das Volk Israel war auch 40 Jahre in der Wüste. Gut Ding will eben Weile haben.

Mission und Neuevangelisierung sind dennoch kein Schwerpunkt des Kirchentags-Programms.

Schneider Der Kirchentag ist eine Laienbewegung, die die Fragen unserer Zeit diskutieren will. Das tut er in der Sache aber nicht losgelöst vom Evangelium. Ich bin überzeugt, dass er darin auch einladend für Menschen ist, die bislang eher nicht mit dem Christentum in Berührung gekommen sind.

Kann es sein, dass das Interesse auch daher kommt, dass das Kirchentags-Motto "...da wird auch dein Herz sein" so schön nach gutem Gefühl klingt? Der Eurovision Song Contest in Düsseldorf lief unter einem ähnlichen Schlagwort: "Feel your heart beat".

Schneider Ein Kirchentag ist ein Event, das mit einem Eurovision Song Contest mithalten kann. Die Klasse haben wir. Aber wir haben noch eine ganz andere Klasse: Wir haben Tiefgang. Die Menschen wollen diskutieren — über Fragen der Energiepolitik, über Militäreinsätze, über verlässliche Perspektiven des Einzelnen in der Gesellschaft, darüber, was das Leben im Letzten trägt, was Hoffnung macht und woran man wirklich sein Herz festmachen kann.

Auf welchen Gast freuen Sie sich in Dresden am meisten?

Schneider Ich freue mich, dass ich mit Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière über das Miteinander von Friedensethik und Verteidigungspolitik sprechen kann.

Im September werden Sie Papst Benedikt XVI. in Erfurt begegnen. Was werden Sie mit ihm besprechen?

Schneider Wir sprechen derzeit noch intern darüber, worüber wir dort sprechen wollen.

Die Ökumene wird eine zentrale Rolle spielen...

Schneider Christus wird die zentrale Rolle spielen. Dann erst kommt die Frage, wie wir ihn beide verstehen, wie wir ihn gemeinsam so verkündigen können, dass diese Verkündigung am wirksamsten ist.

Die ökumenischen Signale sind derzeit bestenfalls spärlich.

Schneider Das sehe ich nicht so. Im neuesten Papier des Zentralkomitees der Katholiken zum Beispiel finden Sie einen wunderbaren ökumenischen Geist.

Anfang des Jahres haben Sie angekündigt, das Gespräch mit den Vertretern der Muslime in Deutschland zu suchen. Was ist daraus geworden?

Schneider Wir haben uns getroffen. Das war gut. Wir arbeiten jetzt an einer weiteren, offiziellen Begegnung, bei der wir uns über die weitere Arbeit verständigen.

Sie sprechen da mit religiösen Verbänden, die aber die säkularen Muslime nicht repräsentieren. Laufen Sie nicht Gefahr, die Wirklichkeit verzerrt wahrzunehmen?

Schneider Sicher. Wir können andererseits nur mit denen reden, die sich bewusst auch als religiös verstehen. Viele andere verstehen sich oft eher aus Traditionsbewusstsein als Muslime, haben aber keinen klaren religiösen Standpunkt, mit dem man sich auseinandersetzen kann.

Stichwort Missbrauch: Die Beauftragte der Bundesregierung hat ihren Bericht vorgelegt. Die nordelbische Kirche hat bei sich ein Versagen aller Aufsichtsebenen festgestellt. Welche Konsequenzen muss die evangelische Kirche aus den Skandalen ziehen?

Schneider Wir müssen mitnehmen, dass wir eine hohe organisatorische Verantwortung haben. Einige Landeskirchen, zum Beispiel meine rheinische, sind im Umgang mit solchen Fällen besser aufgestellt als andere. Wir müssen jetzt auf einen vergleichbaren Level kommen. Das heißt auch, dass einige Landeskirchen noch nacharbeiten müssen.

(RP)
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