Fälle nehmen in Berlin drastisch zu Millionenschäden durch Enkeltrick

Berlin (RPO). Mit den Worten "Rate mal, wer hier spricht" oder "Hallo Oma!" verwickeln Betrüger immer wieder ältere Menschen am Telefon in vertrauliche Gespräche. Sie geben sich als Verwandte, Enkel oder gute Bekannte aus und bitten kurzfristig um viel Geld, weil sie sich angeblich in Notlagen befinden. Der Druck der meist aus Osteuropa stammenden Banden nimmt seit geraumer Zeit erheblich zu, wie Ermittler berichten.

 "Hallo Oma" - mit dieser Masche versuchen immer mehr Betrüger, ältere Menschen Geld abzuknöpfen.

"Hallo Oma" - mit dieser Masche versuchen immer mehr Betrüger, ältere Menschen Geld abzuknöpfen.

Foto: Sparkasse Düsseldorf

Allerdings sind die Erfolgschancen der Täter mit dem klassischen Enkeltrick gesunken. Die angerufenen Senioren durchschauen immer öfter die Masche, wenn es um finanzielle Engpässe, vorgetäuschte Notlagen oder Auto- oder Computerkauf geht. Trotzdem ergaunerten die raffiniert vorgehenden Banden nach Polizeiangaben allein seit Jahresbeginn erneut Millionenbeträge.

In Dresden wurde Mitte Juli eine 15-jährige Polin aus Frankfurt am Main auf frischer Tat gestellt, weil eine couragierte Rentnerin zum Schein auf ihren Geldwunsch eingegangen war. Die 76-Jährige verständigte aber die Polizei. Zivilfahnder erwarteten die Jugendliche dann, die sich Gabi nannte und 15.000 Euro für einen angeblichen Wohnungskauf brauchte, bei der alten Dame.

Oma ließ Betrüger abblitzen

In Hessen ließ eine 85-Jährige einen Betrüger abblitzen. Die Frau aus Dietzenbach wurde bei der Forderung von 10.000 Euro stutzig, legte den Hörer auf und verständigte die Polizei. Auch in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern hatten Gauner in jüngster Zeit keinen Erfolg.

Seit vergangenem Jahr scheint vor allem Berlin im Visier der Trickbetrüger zu sein. Nach Angaben des Landeskriminalamtes stieg die Zahl der angezeigten Enkeltrick-Fälle in der Hauptstadt im ersten Halbjahr 2010 auf mehr als 1200, jedoch nur in knapp zehn Prozent der Anrufe hatten die Betrüger Erfolg. Im gleichen Zeitraum 2009 lagen der Polizei lediglich 189 Anzeigen vor, im gesamten vergangenen Jahr über 580 - in knapp 80 Fällen fielen die Opfer auf den Trick rein und zahlten.

Als Grund für die drastische Zunahme der Fälle nannte Berlins Polizeisprecher Thomas Goldack auf ddp-Anfrage die "gestiegene Anzeigenbereitschaft potenzieller und tatsächlicher Opfer". Zudem "scheinen sich die Täteraktivitäten aufgrund der hohen Gewinnspannen gesteigert zu haben". So belaufe sich der Schaden in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres auf mehr als 1,4 Millionen Euro. Damit vervierfachte sich die Summe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Immenser Druckaufbau

"Die Täter bauen bei ihren Anrufen immer einen immensen Druck auf, stellen ihr Anliegen als äußerst dringlich dar", erläutert Hans Hoffmann, im LKA zuständig für Seniorensicherheit, im ddp-Interview das Vorgehen. "Sobald sich die Angerufenen bereit erklären, wird ein Bote angekündigt, der sich dann mit einem zuvor vereinbarten Kennwort ausweist und das Geld abholt." Das Phänomen funktioniere trotz vieler polizeilicher Warnungen, weil es auch immer mehr ältere Menschen gebe, die allein lebten.

Schwierig für die Ermittlungen ist Fahndern zufolge der Umstand, dass die Täter regelmäßig den Aufenthaltsort und die Zielgebiete ihrer Betrügereien wechseln. Nur durch die akribische Auswertung der Spuren gelinge es, manchmal einen Zusammenhang zwischen mehreren hundert Taten im Bundesgebiet herzustellen. So habe es schon Hinweise gegeben, dass eine Gruppe von Betrügern unterschiedlicher Nationalitäten von Polen und Schweden aus im Bundesgebiet sowie im benachbarten Ausland mit dem Enkeltrick agierte.

Deutschlandweite Zahlen und Entwicklungen gibt es nicht. Im Bundeskriminalamt (BKA) werden die Enkeltrick-Fälle nicht extra ausgewiesen, sondern unter der Straftat Betrug erfasst, wie ein BKA-Sprecher sagt. Auch in den Bundesländern wird der Enkeltrick in den Kriminalitätsstatistiken nicht extra ausgewiesen, obwohl die ersten Fälle bereits vor mehr als zehn Jahren in Hamburg und Berlin auftraten.

Grundsätzlich rät der LKA-Experte Hoffmann, misstrauisch zu werden, wenn sich jemand telefonisch mit einer Geldbitte melde. "Echte Verwandte oder Freunde würden für so ein Gespräch doch eher vorbeikommen", gibt er zu bedenken.

(DDP/nbe)
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