FH Gelsenkirchen Millionen-Betrug: Wer ist schuld?

Gelsenkirchen (RP). Während die Staatsanwaltschaft weiter gegen die drei festgenommenen Professoren und ihre möglichen Helfershelfer ermittelt, entwickelt sich zwischen Opposition und Regierung ein Wettbewerb darum, wer die kriminelle Misswirtschaft in Gelsenkirchen zu verantworten hat.

 An der FH Gelsenkirchen sind Millionen verschwunden.

An der FH Gelsenkirchen sind Millionen verschwunden.

Foto: FH Gelsenkirchen

Im nordrhein-westfälischen Landtag und der dazu gehörigen Landesregierung liegt derzeit ein "Schwarzer Peter" herrenlos herum. Er muss vergeben werden für eine kaum zu fassende Schlampigkeit bei der Vergabe von Fördergeldern an die Fachhochschule Gelsenkirchen sowie einiger dort ausgegründeter Unternehmen. Etwa 12,2 Milllionen Euro verschwanden zwischen 2002 und Anfang 2007 in dunklen Kanälen eines Projekts unter dem Namen "Erweiterte Inkubator-Dienstleistung für Gründende in der Emscher-Lippe Region".

Das Inkubator-Zentrum war per Vertrag vom 15. Dezember 2000 mit den Gesellschaftern Fachhochschule Gelsenkirchen (50,2 Prozent), Stadtsparkasse Gelsenkirchen (24,8) und der Gesellschaft für Energie und Wirtschaft (25) gegründet worden. Es sollte Existenzgründern mit innovativen Ideen bestmögliche Startbedingungen durch Beratung und vor allem Geld bieten. Tatsächlich allerdings verpulverte die Gesellschaft Jahr für Jahr Millionen an Fördergeldern aus Landes- und EU-Mitteln, ohne dass dafür eine erkennbare Gegenleistung nachweisbar wäre.

Der vertrauliche Prüfbericht des Landesrechnungshofs von Ende 2006, der unserer Zeitung vorliegt, stellt auf 30 Seiten in erschreckender Genauigkeit fest, dass Bestimmungen des Vergaberechts missachtet wurden, Akten zu Beratungsleistungen fehlen, abgerechnete Leistungen nicht transparent und nachvollziehbar sind.

Die Recherche in Gelsenkirchen wurde den Rechnungsprüfern so heiß, dass der Landesrechnungshof sich mit Schreiben vom 11. Januar 2007 persönlich und vertraulich an das an das Dezernat 15 (für Korruption) des Landeskriminalamtes wandte und Anzeige nach § 12 Absatz 1, Satz 2 des Korruptionsbekämpfungsgesetzes stellte.

Letzte Woche schlugen die Sicherheitsbeamten, die bereits seit etwa einem Jahr in dem Gelsenkirchener Förderdickicht ermitteln, zu. Seither sitzen drei Professoren, darunter ein Prorektor und ein Dekan, sowie ein weitere Akademiker in Untersuchungshaft. Die Behörden fürchteten Verdunkelungsgefahr.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin gegen die einsitzenden Gelsenkirchener Professoren und ihre möglichen Helfershelfer. Unterdessen suchen Opposition und Regierung den politisch Verantwortlichen für die kriminelle Misswirtschaft. Die Spitze der Landesregierung hat vor allem die SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft im Visier. Kraft war von November 2002 bis zur Landtagswahl 2005 Wissenschaftsministerin. Allerdings: Die Vergabe von gut 5 Millionen Euro aus diesem Ministerium nach Gelsenkirchen war bereits vor ihrem Amtsantritt unter Wissenschaftsministerin Gabriele Behler (SPD) bewilligt worden. Verantwortlich für das Projekt waren dem Vernehmen nach der damalige Staatssekretär Hartmut Krebs (SPD) und der Gruppenleiter Karl Schultheis (SPD), der bis 2000 Landtagsabgeordneter war und seit 2005 wieder im Landtag sitzt. Die Grundsteinlegung am 1.April 2003 führte ebenfalls nicht Hannelore Kraft, sondern ihr Staatssekretär Krebs durch.

Auf Krebs und Schultheis konzentrieren deshalb andere Teile der CDU/FDP-Landesregierung derzeit ihre internen Ermittlungen. Dort allerdings lauern auch für die Union unangenehme Erkenntnisse. Der größere Teil der versickerten Fördergelder, nämlich gut sieben Millionen Euro, wurde vom Ministerium für Wirtschaft unter dem damaligen Minister Harald Schartau (SPD) vergeben. Sein und Krafts Ministerium rügt der Landesrechnungshof dafür, dass die notwendigen Abstimmungen nicht vorgenommen hat und die Verwaltung dadurch insgesamt keinen Überblick erhalten hat, ob die Fördermittel zweckentsprechend eingesetzt worden sind.

Zuständig für die Abwicklung der Förderung allerdings war die Bezirksregierung in Münster. Dem dortigen Regierungspräsidenten Jörg Twenhöven (CDU) wiederum wird eine enge Freundschaft zum Rektor der Fachhochschule Gelsenkirchen, Peter Schulte, zugeschrieben. Schulte seinerseits war Aufsichtsratsvorsitzender des jetzt aufgeflogenen Inkubator-Zentrums. "Sowohl die Fachhochschule als die Bezirksregierung", hätten, so die Rechnungsprüfer in ihrer abschließenden Würdigung, "haushaltsrechtliche Bestimmungen bei der Abwicklung der Zuwendungen nicht beachtet. Die Verwendung der Mittel wurde nicht ausreichend überwacht." Auch Schulte gilt als CDU-nah. Er gehörte dem Unterstützerkreis für die Wiederwahl Oliver Wittkes (CDU) als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen 2004 an. Und der heutige Bauminister der Landesregierung wiederum saß während der der Aufbauphase im Aufsichtsrat des "Inkubators".

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