Messerattacke in Hamburg Angreifer war Behörden als Islamist bekannt

Hamburg · Der Mann, der in einem Hamburger Supermarkt auf Passanten eingestochen haben soll, war Ermittlern schon zuvor aufgefallen. Nach Angaben des Hamburger Innensenators Andy Grote wurde er bei den Behörden als Islamist geführt.

Hamburg: Mann sticht auf Supermarktkunden ein - ein Toter
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Mann sticht auf Supermarktkunden in Hamburg ein

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Foto: dpa, mks sab

Es habe Anzeichen für eine Radikalisierung gegeben, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote am Samstag bei einer Pressekonferenz. Der Mann sei als Islamist in die entsprechenden Dateien aufgenommen worden. Man sei aber nicht zu der Einschätzung einer unmittelbaren Gefährlichkeit gelangt.

Bei dem Mann gebe es einerseits Hinweise auf religiöse Beweggründe und islamistische Motive, andererseits auch auf eine "psychische Labilität". Die Polizei gehe bei dem Tatmotiv von einer Gemengelage aus und wisse noch nicht, was letztlich den Ausschlag für den Messerangriff gegeben habe.

"Solchen Anschlägen in dieser Begehungsform wohnt immer ein hohes Maß an Unberechenbarkeit inne, weil es eine in gewisser Weise willkürliche Tat ist - mit primitivsten Mitteln, an einem fast beliebigen Ort ausgeführt", sagte Grote.

Derzeit gebe es keine Hinweise auf Hintermänner oder eine Einbindung des Täters in ein Netzwerk. Hierzu seien aber weitere Ermittlungen nötig. "Wir gehen im Moment von einem Einzeltäter, einem zumindest psychisch labilen Einzeltäter aus." Es müsse nun aber geprüft werden, ob die Sicherheitsbehörden allen Hinweisen immer in angemessener Weise nachgegangen seien.

Der Täter hatte am Nachmittag in einem Supermarkt einen Mann erstochen und mehrere weitere Menschen verletzt. Ein 50-Jähriger starb, eine 50-jährige Frau und vier Männer (64, 57, 56, 19) wurden verletzt. Ein 35-Jähriger wurde zudem verletzt, als der 26-Jährige überwältigt wurde.

Alle Opfer außer Lebensgefahr

Alle verletzten Menschen sind nach den Worten von Grote außer Lebensgefahr. Der Innensenator sprach von einer "erbärmlichen, verachtenswerten Tat" eines Menschen, der offensichtlich als Schutzsuchender nach Deutschland gekommen sei. Der Angriff habe die Opfer wie aus dem Nichts getroffen. "Es hätte jeden von uns genauso treffen können", sagte Grote.

Der 26-Jährige war ein abgelehnter palästinensischer Asylbewerber und hätte demnächst ausreisen sollen. Der Täter sei ausreisepflichtig gewesen und habe sich im Ausreiseverfahren befunden, sagte Grote. Der Mann habe gegen seinen negativen Asylbescheid keine Rechtsmittel eingelegt und auch bei der Organisation von Passersatzpapieren mitgewirkt.

Noch am Freitag habe sich der Mann bei der Ausländerbehörde erkundigt, ob seine Passersatzpapiere eingetroffen seien. "Es war damit zu rechnen, dass diese Papiere demnächst eintreffen würden", sagte Grote. Der 26-Jährige sei auch willens gewesen auszureisen. Polizeipräsident Ralf Meyer sagte, der Mann sei in dieser Hinsicht eine "fast vorbildhafte Person" gewesen. Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte am Freitagabend gesagt, der Mann habe wegen fehlender Papiere nicht abgeschoben werden können.

Einreise bereits 2015

Der Hamburger Innenstaatsrat Bernd Krösser erklärte, der Angreifer sei 2015 nach Deutschland eingereist. Zuvor sei er in Norwegen, Schweden und Spanien gewesen. Über Norwegen sei er im März 2015 nach Deutschland gekommen, zunächst nach Dortmund. Von dort aus sei er im klassischen Asylverteilungsverfahren nach Hamburg weitergeleitet worden. Hier habe er schließlich im Mai 2015 einen Asylantrag gestellt.

Gegen den Mann soll wegen Mordes und fünffachen versuchten Mordes ein Antrag auf Haftbefehl gestellt werden. Ob dies aber letztlich geschehe, sei wegen der psychischen Auffälligkeiten des Mannes noch offen, sagte Jörg Fröhlich von der Staatsanwaltschaft Hamburg am Samstag. Der Generalbundesanwalt behalte sich vor, den Fall zu übernehmen.

Kathrin Hennings von der Hamburger Polizei schilderte, dass der Mann in dem Supermarkt ein Messer genommen, aus der Verpackung gerissen und auf Anwesende eingestochen habe. Er ist offenbar nicht vorbestraft. Ein Diebstahlverfahren wurde den Angaben zufolge wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Die Polizei hat in Zusammenhang mit der Tat eine Flüchtlingsunterkunft durchsucht. "Ob wir etwas gefunden haben, können wir zur Stunde nicht bekannt geben", sagte ein Sprecher der Polizei am Samstagmorgen.

Mitbewohner des mutmaßlichen Täters zeigten sich schockiert. Sie beschrieben den 26-Jährigen, der in einer Container-Unterkunft für Flüchtlinge wohnte, als Außenseiter.

Täter soll Drogen genommen haben

Ein 33 Jahre alter syrischer Nachbar berichtete am Samstag, der mutmaßliche Täter habe oft "Allahu Akbar" über den Flur gerufen. Er beschrieb ihn als "verrückt", Freunde habe er in der Unterkunft nicht gehabt. Die Bewohner hätten ihn nur ab und zu in der Gemeinschaftsküche gesehen. Er habe viel Alkohol getrunken, Haschisch geraucht und Kokain konsumiert. Früher spielte er demnach oft noch Fußball mit den anderen Bewohnern - in letzter Zeit habe er sein Zimmer aber kaum noch verlassen, erzählt sein Nachbar weiter.

Der Mann habe viel gebetet, auch in eine Moschee sei er gegangen.
Welches Gebetshaus das war, wusste der Nachbar nicht. Die Menschen in der Unterkunft erzählten sich, der mutmaßliche Täter von Barmbek sei in Syrien aufgewachsen. Er selbst gab an, Palästinenser zu sein.

Ein anderer Nachbar sagte: "Wer so was macht, ist krank. Das ist schwer für die Leute hier." Der zweifache Familienvater hat Angst, dass Asylsuchende nach der Attacke unter Generalverdacht gestellt werden. "Die Frage ist, warum jemand so was macht. Ich bin nach Deutschland gekommen für eine neue Zukunft. Das verstehe ich nicht."

(jco/AFP/dpa)
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