Zehn Verletzte nach Messer-Attacke in Lübeck Augenzeugen schildern dramatische Szenen in Bus

Lübeck · In einem Linienbus in Lübeck hat ein Mann am Freitag wahllos auf Passagiere eingestochen. Beherzte Fahrgäste überwältigen den Täter. Augenzeugen schildern die dramatischen Sekunden.

 Einsatzkräfte stehen vor dem Bus (halb verdeckt) im Lübecker Stadtteil Kücknitz, in dem am Nachmittag ein Fahrgast Mitreisende mit einem Messer attackiert hatte.

Einsatzkräfte stehen vor dem Bus (halb verdeckt) im Lübecker Stadtteil Kücknitz, in dem am Nachmittag ein Fahrgast Mitreisende mit einem Messer attackiert hatte.

Foto: dpa/Markus Scholz

Voll besetzt ist der weiße Linienbus auf dem Weg von Lübeck ins Ostseebad Travemünde unterwegs. Viele Menschen sind am frühen Freitagnachmittag auf dem Weg ins Wochenende. Einige wollen möglicherweise zur Travemünder Woche, die am Abend eröffnet werden soll. Plötzlich spielen sich im dem Bus der Linie 30 auf der Travemünder Landstraße im Stadtteil Kücknitz dramatische Szenen ab.

Kurz vor der Haltestelle Bahnhof Kücknitz sticht einer der Fahrgäste mit einem Messer auf andere Fahrgäste ein. Um 13.47 Uhr wird die Polizei alarmiert. Schnelles Handeln des Busfahrers hat offenbar Schlimmeres verhindert. Der Busfahrer habe "schnell und couragiert gehandelt", sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) am Freitagabend in Lübeck. "Dem gebührt ein großer Dank." Laut Grote hatte der Fahrer im Rückspiegel Qualm bemerkt, den Bus gestoppt und alle Türen geöffnet. Anschließend soll der mutmaßliche Täter nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wahllos auf Fahrgäste eingestochen haben. Unklar ist noch, ob er das noch im Bus oder erst draußen tat. Der Fahrer sei zu dem Tatverdächtigen geeilt und von diesem geschlagen worden, sagte Grote. "Dann hat es ein Handgemenge gegeben." Gemeinsam hätten Passagiere und Fahrer versucht, den Mann zu überwältigen.

Beamte nehmen den mutmaßlichen Täter kurze Zeit später fest, sperren die Umgebung der Bushaltestelle weiträumig ab. Der Täter befinde sich in Polizeigewahrsam, sagt Ulla Hingst, Sprecherin der Lübecker Staatsanwaltschaft. Grote sagte am späten Nachmittag bei einem Besuch des Tatorts: „Mein letzter Stand ist, dass es neun Verletzte gibt: sechs durch Messerverletzungen.“ Am Abend spricht die Polizei von zehn Verletzten.

Die Hintergründe der Tat und auch ihr genauer Ablauf sind am frühen Freitagabend noch unklar. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um einen 34 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen. In Deutschland geboren wurde er aber nicht. Iran ist als Geburtsland im Gespräch. Sein Wohnsitz sei Lübeck. Der mutmaßliche Täter hatte einen Rucksack mit Brandbeschleuniger dabei, der im Bus angezündet wurde. Hinweise auf einen Sprengsatz gibt es nicht.

Er habe furchtbares Geschrei gehört, sagt Anwohner Lothar Heuer. „Als ob zwei Völker aufeinander losgehen.“ Dann sei er zum Helfen losgeeilt. Die „Lübecker Nachrichten“ zitieren eine Augenzeugin des Geschehens: „Eines der Opfer hatte gerade seinen Platz einer älteren Frau angeboten, da stach der Täter ihn in die Brust. Es war ein Gemetzel.“ Die Augenzeugin wird nach der Gewalttat von der Polizei betreut. Ein Anwohner schildert das Geschehen so: „Die Passagiere sprangen aus dem Bus und schrien. Es war furchtbar.“

Unklarheit über Motiv der Tat

Rätselraten herrscht am Freitagabend noch über die Motive des mutmaßlichen Täters. „Nichts ist auszuschließen, auch kein terroristischer Hintergrund“, sagt Hingst. Es gebe aber keine solchen Hinweise. In den ersten Vernehmungen machte der Mann keine Angaben.

Innenminister Grote und Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) machen sich am Tatort selbst ein Bild von der Lage. Lindenau spricht anschließend von „einer entsetzlichen Tat“. Grote war ohnehin bereits in der Gegend. Er wollte ursprünglich an der Eröffnung der Travemünder Woche teilnehmen. Das wäre nach der Gewalttat in dem Bus aber „wirklich fehl am Platze“, sagt er.

Nun recherchieren die Ermittler den Hintergrund des mutmaßlichen Täters. „All dieses läuft momentan, sowohl mit der Polizei als auch dem Verfassungsschutz“, sagt Grote. Die Behörden prüften, ob es verdächtige Verbindungen des Mannes gebe. „Aber nach derzeitigem Stand ist dies zumindest jetzt nicht bekannt.“ Auch nach Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es keine Hinweise auf eine Radikalisierung des mutmaßlichen Täters.

Nachdem der Bus am frühen Abend abgeschleppt wird, bleibt weißes Löschmittel auf der Travemünder Allee zurück. Dort hatte der Bus während des Angriffs gehalten.

(felt/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort