Hitlers Werk soll im Giftschrank bleiben Bayern will kommentierte "Mein Kampf"-Ausgabe stoppen

München · Die bayerische Staatsregierung will eine Veröffentlichung von Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" trotz des Auslaufens der Urheberrechte im Jahr 2015 verhindern. Das Buch sei volksverhetzend, sagte Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) am Dienstag in München. Wenn Verlage das Buch in Zukunft veröffentlichen wollten, werde die Staatsregierung Strafanzeige stellen.

 Eines der umstrittensten Bücher des 20. Jahrhunderts: Adolf Hitlers "Mein Kampf".

Eines der umstrittensten Bücher des 20. Jahrhunderts: Adolf Hitlers "Mein Kampf".

Foto: PA, AP

Auch die bereits in Vorbereitung befindliche Ausgabe des international renommierten Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) soll es nicht mehr geben - obwohl eine Anregung dazu vor Jahren von Finanzminister Markus Söder (CSU) gekommen war. Die Staatsregierung hatte für das Projekt bislang schon eine halbe Million Euro gezahlt. Beim IfZ zeigte man sich sehr "überrascht".

Seit Jahren arbeiten Historiker des Institutes für Zeitgeschichte (IfZ) in München an einer solchen kritischen Ausgabe - denn Ende 2015 laufen die Urheberrechte aus, die beim bayerischen Finanzministerium als Rechtsnachfolger des Eher-Verlags liegen. Seit 2012 unterstützt die Staatsregierung das Projekt. "Wir müssen uns über das Buch auseinandersetzen. Es muss entmystifiziert werden", sagte Söder damals dem Magazin "Cicero". Die kommentierte Ausgabe, so waren Politiker und Experten sich einig, sollte Geschäftemachern und Rechtsextremisten den Wind aus den Segeln nehmen.

"Wir kommen gut voran", sagte eine IfZ-Sprecherin noch am Dienstag - doch dann sorgte eine Nachricht aus der bayerischen Staatskanzlei für Aufregung. Dort nämlich erklärte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): "Ich kann nicht einen NPD-Verbotsantrag stellen in Karlsruhe und anschließend geben wir sogar noch unser Staatswappen her für die Verbreitung von "Mein Kampf" - das geht schlecht."

Für die Historiker des IfZ dürfte das ein Schlag in die Magengrube sein. Gesprochen habe bislang niemand mit ihnen, sagte eine Sprecherin. Ein Signal, die Arbeit abzubrechen, habe es auch nicht gegeben. Nach dem Willen von Seehofer und Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) soll aber wohl genau das passieren - weil das Buch volksverhetzend ist. Und wenn Verlage es in Zukunft veröffentlichen wollten, werde die Staatsregierung Strafanzeige stellen. "Unsere Auffassung ist: Auftrag gestoppt", sagte Haderthauer.

Mit dieser überraschenden Kehrtwende setzt sich die Regierung nicht nur über eine Landtagsforderung und das ausdrückliche Engagement von Finanzminister Söder hinweg - sie begeht nach Ansicht des langjährigen PEN-Präsidenten Johano Strasser auch einen großen Fehler und vergibt eine große Chance.

"Es gibt den Text doch überall", sagte Strasser, der sich in der Vergangenheit stets für die Edition ausgesprochen hatte. "Eine kommentierte Ausgabe ist die einzige Möglichkeit, auf die Rezeption Einfluss zu nehmen." Er setze darauf, dass die Entscheidung nicht endgültig sei: "Ich hoffe, dass das nochmal wieder revidiert werden kann." Die Möglichkeit, den Text unter Verschluss zu halten, gebe es doch schon jetzt nicht mehr, obwohl die Urheberrechte noch nicht abgelaufen sind. "Die Alternative ist doch gar nicht mehr da", betonte Strasser.

Tatsächlich ist das Machwerk, in dem Hitler 1924 als Häftling in der Festung Landsberg die menschenverachtende "Rassentheorie" darlegte, in zahlreichen anderen Ländern problemlos und teilweise auch unkommentiert zu haben. Schon vor fast 20 Jahren erschienen Ausschnitte in Israel in hebräischer Schrift. Antiquarische Ausgaben sind in Internetportalen wie Ebay oder über Anbieter aus dem Ausland weitgehend problemlos zu bestellen.

Eine Veröffentlichung in Deutschland war bislang nicht möglich - was zuletzt die Macher der historischen Zeitschrift "Zeitungszeugen" am eigenen Leib erfahren mussten. Als sie kommentierte Auszüge aus "Mein Kampf" veröffentlichen wollten, schob das bayerische Finanzministerium einen Riegel vor. Bis Ende 2015 kann der Freistaat das noch tun und seine Urheberrechte für derartige juristische Auseinandersetzungen in die Waagschale werfen, ab 2016 müssten andere Grundlagen für ein Veröffentlichungsverbot gefunden werden - wie der Vorwurf der Volksverhetzung.

(dpa)
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