Interview Bischof Huber Mehr Gottvertrauen, mehr Kinder

Düsseldorf (RP). Bischof Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, erwartet vom Kirchentag keine Selbstzerfleischung unter Protestanten, sondern ein Fest des Glaubens. Mit Gottvertrauen, so glaubt er zudem, findet sich leichter der Mut, Eltern zu werden.

Das Motto des Kirchentages lautet "Lebendig, kräftig, schärfer” - wo ist die Kirche stumpf?

Huber Das biblische Wort, aus dem das Motto genommen ist, bezieht sich nicht auf die Kirche oder eine menschliche Leistung, sondern darauf, dass das Wort Gottes lebendig, kräftig und schärfer ist als all das, was wir uns in unserer Klugheit ausdenken. Deswegen erwarte ich von dem Kirchentag in Köln keine protestantische Selbstzerfleischung, sondern eine Konzentration auf die wunderbare Klarheit des Wortes Gottes. Nicht immer gelingt uns diese Konzentration; insofern sind wir auch immer wieder "stumpf".

Spricht daraus eine neue Hochschätzung kirchlicher Dogmatik als Glaubenslehre?

Huber Dogmatik ist eine wunderbare Sache, wenn man sie nicht so versteht, dass die einen den anderen vorschreiben, was sie zu glauben haben. Dogmatik ist gut als Sprachschule des Glaubens.

Auffällig in der Debatte um die "Bibel in gerechter Sprache” war, dass fast alle evangelischen Bischöfe davor gewarnt haben, sie im Gottesdienst zu verwenden. Warum?

Huber Im liturgischen Gebrauch ist der verantwortliche Umgang mit dem Text der Bibel besonders wichtig. Bei der "Bibel in gerechter Sprache" handelt es sich aber im strengen Sinne nicht um eine Übersetzung, sondern um eine Interpretation, die ihre Intentionen in den Text hineinträgt. Wir raten auch deshalb ab, weil diese Fassung der Bibel Menschen, die sich aus guten Gründen an die Lutherbibel halten, irritieren kann.

Damit sind Sie nicht weit weg von der Empfehlung des Papstes, die Schönheit der Liturgie neu zu entdecken.

Huber In der Tat ist die Schönheit der Liturgie eine wichtige und gemeinsame christliche Tradition. Luther hat die Messe ins Deutsche übersetzt und betont: Die liturgische Klarheit muss gewahrt bleiben; aber die Menschen sollen sich nicht an der bloßen Schönheit erfreuen, ohne den Inhalt zu verstehen.

Bischöfin Käßmann lässt sich scheiden - löst das eine Debatte über den Rang der Ehe im Protestantismus aus?

Huber Ich bin sehr dafür, dass das, was Bischöfin Käßmann aus ihrer persönlichen Situation heraus über die Ehe gesagt hat, viel Resonanz findet. Denn sie hat uns an der Not ihrer Entscheidung auch darin teilhaben lassen, dass sie sinngemäß gesagt hat: Für sie habe die Ehe nach wie vor einen sehr hohen Rang; unverändert gehöre für sie die Unauflöslichkeit zum Kern des christlichen Eheverständnisses; sie möchte, dass auch weiterhin alle, die vor den Traualtar treten, dabei ein Versprechen ablegen, "bis dass der Tod uns scheidet”. Dann fügte sie hinzu: Wir haben dieses Versprechen auch abgelegt und sind damit gescheitert. Dass diese Möglichkeit des Scheiterns vor Gott und den Menschen eingestanden und um Vergebung der Schuld gebeten wird, gehört auch zu einem christlichen Verständnis der Ehe und ihrer Unauflöslichkeit.

Wie sehen Sie die Debatte um eine Art Scheidungsritual im Gottesdienst?

Huber Mir ist noch kein Paar begegnet, das um ein solches gottesdienstliches Ritual gebeten hat. Ich würde in einem solchen Fall einen seelsorgerlichen Weg suchen; aber für eine festgefügte liturgische Handlung sehe ich keinen Anlass.

In Deutschland wird heftig über Kinderbetreuung und das Mutterbild gestritten. Wie ist Ihr Mutterbild - Hausfrau oder Karrierefrau?

Huber Ich gehöre nicht zu denjenigen, die im Rahmen der Debatte um die Kinderbetreuung einen isolierten Streit über das Mutterbild führen. Denn es geht nicht nur um die Mütter. Es geht um die Rolle von Vätern und Müttern. Die Eingrenzung der Debatte auf die Rolle der Mutter ist eine Fortsetzung der Diskriminierung von Frauen; an ihr beteilige ich mich nicht. Insofern gibt es für mich auch keine Alternative zwischen Mutterschaft und Berufstätigkeit. Es kommt vielmehr darauf an, dass unsere Gesellschaft Achtung vor den unterschiedlichen Lebenssituationen hat - ebenso vor denjenigen, in denen beide Eltern Familienarbeit und Berufsarbeit miteinander verbinden, als auch vor denjenigen, in denen Frauen oder Männer sich eine gewisse Zeit oder - wenn sie es sich leisten können - auf Dauer ganz der Familienarbeit widmen.

Wird für Familien denn moralisch genug getan?

Huber Wir brauchen dringend eine Änderung im Familienethos unserer Gesellschaft. Wir brauchen ein Klima, in dem das persönliche Engagement für Familie nicht bestraft, sondern belohnt wird. Auch die Stimmung in Unternehmen, Behörden, Universitäten und staatlichen Institutionen muss sich wandeln. Entscheidend ist, dass junge berufstätige Frauen ermutigt werden, wenn sie schwanger werden. Gleiches gilt für junge Väter, die bereit sind, für ihre Kinder eine berufliche Auszeit zu nehmen. Es muss viel deutlicher anerkannt werden: Das Aufziehen von Kindern ist ein Zugewinn an sozialer Kompetenz.

Haben die Deutschen zu wenig Gottvertrauen, Kinder in die Welt zu setzen?

Huber Die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, hängt mit dem Vertrauen in die Zukunft und mit dem Gottvertrauen unmittelbar zusammen. Natürlich gibt es für die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, auch andere Quellen. Aber richtig ist, dass Menschen, die mit Gottvertrauen leben, auch Vertrauen in die Zukunft haben, und dass sich das in vielen Fällen auch in einem Ja zu Kindern niederschlägt.

(RP)
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