Sammler Rolf Stall Mehr als 700 Uhren in einer Mietswohnung

Recke (rpo). Rolf Stall hat einen Tick, einen Sammlertick. Und der tickt ganz schön laut. So laut, dass seine Frau zwar nicht ihn aber die Objekte seiner Begierde aus der Wohnung verbannt hat. Rolf Stall nennt über 700 Wand- und Standuhren sein Eigen.

 In Frankreich wird an einer Uhr gearbeitet, die in 32 Milliarden Jahren nur eine Sekunde falsch gehen soll.

In Frankreich wird an einer Uhr gearbeitet, die in 32 Milliarden Jahren nur eine Sekunde falsch gehen soll.

Foto: ddp, ddp

Ein beständiges Ticken hallt durch das Wohnzimmer, im Sekundentakt machen sich die Uhren bemerkbar. Rolf Stall hält das Ticken in Gang: Er fischt einen Schlüssel aus einem Korb, klettert langsam auf die Sitzecke und zieht die Uhr an der Wand mit schnellen Drehungen auf. "Das Ticken stört nicht. Wenn ich das länger nicht höre, werde ich nervös", sagt der 51-Jährige. Dann hantiert er auch schon an der nächsten Uhr - einer von rund 700.

"Für mich hat eine Uhr eine Seele. Jede ist anders, jede klingt anders", sagt Stall. Er schaut gar nicht lange hin: Aus dem Korb auf dem Tisch fischt er den nächsten der rund 30 Schlüssel. Damit schlendert er durch sein Wohnzimmer, vorbei an Reihen mit Wanduhren, und steckt den Schlüssel in das goldene Zifferblatt eines alten Schmuckstücks. "Die Uhr ist von 1911 mit gedrechseltem Vorderteil. Die hat der Vorbesitzer mit brauner Lackfarbe gestrichen. Das ist eigentlich traurig", erzählt Stall.

Der Frührentner sammelt Uhren. Mehr als 700 Wand- und Standuhren ticken in seiner Mietswohnung in Recke im nördlichen Münsterland - und schlagen zur vollen Stunde. In seiner eigenen Wohnung hatte er vor Jahren noch 15 Standuhren, die sich Schlag Mitternacht bemerkbar machten. "Da sagte meine Frau: Jetzt ist Feierabend. Ich hatte Glück, dass gerade eine Mietswohnung im Haus frei wurde." Dahin hat er dann seine Uhren gebracht.

Acht bis zehn Stunden täglich

Der Sammler verbringt viel Zeit mit seinen Zeitmessern. Acht bis zehn Stunden täglich ist er in der Wohnung, schaut dort Fernsehen und kümmert sich um die Uhren. Seine Runde hat der dreifache Vater schnell beendet: In 20 Minuten ist er durch die Zimmer und hat die Uhren aufgezogen. Im Arbeitszimmer nimmt er einen kleinen Zeitmesser aus der Vitrine. "Glashütte" steht auf dem Zifferblatt. "Die wiegt 630 Gramm und kommt aus der DDR. Nur die Bonzen hatten die auf dem Schreibtisch."

In der Küche holt Stall eine alte Küchenuhr vom Schrank. "Das ist Delfter Fliese, ganz selten", sagt er. Viele Uhren hat der Sammler auf Flohmärkten, Antikmärkten oder bei Versteigerungen gefunden, im nördlichen Münsterland und im nahen Holland war er auf der Suche. "Aber allmählich wird man auf den Flohmärkten bekannt wie ein bunter Hund", erzählt er. Freunde brachten ihm Uhren aus Schottland oder Thailand mit, selbst polnische Erntehelfer tauschten Zeitmesser gegen Naturalien. Die meisten Uhren wurden vor 50 Jahren gebaut, einige sind weit über 100 Jahre alt.

"Das kriege ich wieder hin"

Den Tick mit den Uhren hat er schon lange. "Wenn ich eine Armbanduhr eine Zeit getragen habe, dann wurde die uninteressant", erzählt Stall. Bereits als junger Mann wollte er das Handwerk des Uhrmachers erlernen, letztlich wurde er aber Musikinstrumentenbauer. Als er dann in Rente ging, erwachte sein Uhrentick wieder zum Leben.

Stall schaut durch die Lupe an seinem großen Arbeitstisch. Er sieht genau hin, setzt sogar noch eine Brille auf. In seinen Händen hält er eine so genannte Vertiko-Uhr, die zu Großmutters Zeiten als Zierde auf Schränken stand. Das Holz ist beschädigt, der Lack hat an einigen Stellen sogar Blasen geworfen. "Da war Taubendreck drauf. Die Uhr hat lange auf einem Dachboden gestanden", erzählt der Uhrenliebhaber. "Aber das kriege ich wieder hin."

Stall nimmt sich Zeit, damit die alten Uhren wieder ticken. "Aber ich bin kein Uhrmacher. Wenn der eine halbe Stunde braucht, dann brauche ich das Vierfache", sagt der Sammler. "Aber das ist schon in Ordnung." Neu sollen die großen Standuhren und die alten Zeitmesser an den Wänden sowieso nicht aussehen, sondern ihren alten Charme behalten.

(afp)
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