Diskussion um Killerspiele Medien-Expertin hält Verbot von Killerspielen für nutzlos

Düsseldorf (RPO). Es scheint fast ein Reflex zu sein: Wie bereits nach den Amokläufen von Erfurt, Meißen und Emsdetten wird auch nach der jüngsten Bluttat der Ruf nach einem Verbot von sogenannten Killerspielen laut. Nun plant Bayern eine neue Verbotsinitiative. Experten sind sich in dieser Frage nicht einig.

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Wie viele Jugendliche seines Alters hat auch der Amokläufer von Winnenden mehrere sogenannte Killerspiele besessen. In seinem Zimmer seien Spiele wie "Counterstrike" gefunden worden, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag in Waiblingen. Schnell wurde auch in diesem Fall wieder Verbotsforderungen laut. Bereits im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union von 2005 wird ein Verbot von Killerspielen gefordert, wobei der Begriff nicht näher definiert wird. Ein entsprechendes Gesetz gibt es bisher aber nicht.

Bayern drängt auf Verbot

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert besonders brutale Computerspiele zu verbieten. "Solche Spiele haben meines Erachtens bei uns nichts verloren", sagte er im Bayerischen Rundfunk. Es gebe Killerspiele, die "völlig unerträglich sind". Teils müsse man in der Rolle eines Gewalttäters andere Menschen hemmungslos abknallen. Bei jungen Menschen setzten solche Spiele Hemmschwellen herunter und beinhalteten die Gefahr, "dass jemand meint, so etwas selbst nachspielen zu müssen", sagte Herrmann.

Herrmann kündigte an, Bayern werde auf Länderebene einen neuen Anlauf unternehmen, besonders gewaltverherrlichende Spiele aus dem Verkehr zu ziehen. "Wir müssen uns jetzt endlich aufraffen und den Mut haben, die brutalsten Spiele zu verbieten. Das ist keine Frage der Medien- und Kunstfreiheit mehr", sagte Herrmann.

Unterstützung erhielt er von Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Instituts in Hannover. In Krisensituationen können Killerspiele durchaus solche Gewalttaten auslösen, sagte er dem "Münchner Merkur". "Killerspiele, die eindeutig gewaltverherrlichend sind, müssen gesetzlich verboten werden." Neurobiologen hätten nachgewiesen, dass Killerspiele eine desensibilisierende Wirkung haben. "Sie sind ein Programm zum Abstumpfen. Wer bereits voller Hassgefühle ist, wer sich gedemütigt und weggestoßen fühlt, benutzt Killerspiele manchmal auch zur Vorbereitung eines Amoklaufs". Es sei erwiesen, dass die Tötungsbereitschaft durch brutale Computerspiele massiv steigt.

Fakt ist aber: Ego-Shooter wie Counterstrike sind insbesondere unter männlichen Jugendlichen weit verbreitet. Millionen Deutsche spielen solche Spiele regelmäßig im Internet, auch auf sogenannten LAN-Partys treffen sich teils bis zu Hunderte Spieler, um gemeinsam gegeneinander anzutreten. Die Mehrheit davon fällt nicht durch Gewalttätigkeit auf. Auch in vielen anderen Medien, die Jugendliche konsumieren, finden sich teils krasse Gewaltdarstellungen.

Die Gamerszene wehrt sich daher seit Jahren heftig gegen eine Stigmatisierung und ein Verbot der Spiele. Eine von dem Spielemagazin "Gamestar" initiierte Petition, die sich gegen die aus Sicht der Gamer falsche und einseitige Berichterstattung des ZDF-Magazins "Frontal" wendete, unterzeichneten 51.000 Spieler aus ganz Deutschland.

Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist zurückhaltend: "Ich bin da vorsichtig. Die meisten Wissenschaftler sagen, dass diese Spiele nicht ursächlich für Gewalttätigkeit sind", sagte sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

Expertin ist skeptisch

Befürworter eines Killerspiele-Verbots argumentieren, es mache einen Unterschied, ob ein junger Mensch ein Medium wie einen Film passiv konsumiert oder in einem Computerspiel aktiv handelt und somit selbst zum virtuellen Täter wird. Doch die Medienwissenschaftlerin Dr. Astrid Zipfel widerspricht: "Bislang vorliegende Meta-Analysen haben nicht gezeigt, dass Computerspiele stärkere Effekte auf die Gewaltbereitschaft haben als Gewaltdarstellungen in Film und Fernsehen". Auch die Vermutung, dass so genannte Ego-Shooter gefährlicher seien als Spiele, die keine Ich-Perspektive ermöglichen, habe sich bislang nicht bestätigt.

Zipfel ist Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und eine Expertin für Mediengewalt. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit der Debatte um Gewalt in Medien. "Man sollte sich vor der Illusion hüten, dass ein Verbot von Killerspielen das Problem löst", sagte sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der Zusammenhang zwischen Killerspielen und einer möglichen Erhöhung der Gewaltbereitschaft sei durch zahlreiche Studien untersucht. Die hätten zwar alle ihre methodischen Schwächen, "das Gesamtmuster der Befunde spricht aber für einen vorhandenen, allerdings schwachen Zusammenhang zwischen dem Konsum violenter Computerspiele und Gewaltbereitschaft", so Zipfel.

Computerspiele seien daher nur ein Faktor unter vielen bei der Entstehung von Gewaltbereitschaft. Zudem sei davon auszugehen, dass es Problemgruppen gibt, bei denen dieser Zusammenhang stärker ausfällt und andere Bevölkerungssegmente, bei denen von keinerlei negativer Wirkung von Computerspielen mit gewaltätigen Inhalten auszugehen ist.

Doch warum fanden die Ermittler bei bisher allen Amoktätern in Deutschland der letzten Jahren derartige Spiele? Zipfel warnt vor voreiligen Schlüssen: "Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Jungen in der Altersgruppe des Amokläufers auf 'Killerspiele' zu treffen, ist relativ hoch. Dies sagt noch nichts über den Beitrag solcher Spiele zu einer Amoktat aus", so die Medienexpertin. In viele Studien gäbe es darüber hinaus auch Hinweise auf einen umgekehrten Zusammenhang: Bereits gewaltbereite Rezipienten neigen offenbar eher zu gewalthaltigen Spielen als andere.

Mit Material von AP

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