Grausiger Fund Massengrab von NS-Zwangsarbeitern in Stuttgart entdeckt

Stuttgart (rpo). In Stuttgart haben Bauarbeiter auf dem US-Airfield ein Massengrab mit den sterblichen Überresten von Zwangsarbeitern aus der NS-Zeit entdeckt. "Wir haben ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen Unbekannt eingeleitet", teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit. Die Opfer waren offenbar verhungert.

 Spezialisten der Polizei überwachen die Grabungsarbeiten.

Spezialisten der Polizei überwachen die Grabungsarbeiten.

Foto: ddp, ddp

Wie Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt am Mittwoch mitteilten, handelte es sich wahrscheinlich um jüdische Gefangene des Arbeitslagers Echterdingen. Sie waren zwischen November 1944 und Februar 1945 auf dem damaligen Fliegerhorst als Zwangsarbeiter eingesetzt.

Bei Schachtarbeiten am Montag seien in rund einem Meter Tiefe die ersten Skelettteile gefunden worden. Die sterblichen Überreste werden den Angaben zufolge derzeit geborgen. Die Untersuchung könne noch Wochen in Anspruch nehmen. Zur Zeit des Dritten Reiches befand sich auf dem Flughafengelände ein Arbeitslager des im Elsass gelegenen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof. Nach ersten Einschätzungen und Erkenntnissen waren von Mitte November 1944 jüdische Häftlinge in dem damaligen Flugzeughangar untergebracht. Das Arbeitslager war im Februar 1945 nach Ohrdruf evakuiert worden.

Norbert Walz vom Landeskriminalamt sagte, in einem Fall gebe es Hinweise, dass das Opfer gefesselt war. Zwei oder drei Personen hätten vermutlich noch gelebt als sie in dem Massengrab verscharrt worden seien. Die Ermittler versuchen nun, an Häftlingslisten des Lagers zu kommen. Mit Hilfe dieser Listen sollen dann eventuell Verwandte ausfindig gemacht werden. Mit DNA-Proben soll dann versucht werden, die menschlichen Überreste zu identifizieren. Dazu seien aufwendige rechtsmedizinische Untersuchungen notwendig.

Über 100 Menschen starben an Hunger und Fleckfieber

Nach Aussagen ehemaliger Häftlinge waren zwischen November 1944 und Januar 1945 wahrscheinlich über 100 Menschen jüdischer Herkunft an Hunger und einer Fleckfieberepidemie gestorben, berichteten Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt. Bereits im Oktober 1945 waren 66 Leichen exhumiert worden, die in einem Waldstück vergraben worden waren. Sie wurden auf einem Esslinger Friedhof beerdigt, in dessen Krematorium noch zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs bereits weitere 19 Leichen verbrannt worden waren, die aus dem Lager Echterdingen stammten.

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft handelt es sich bei dem aktuellen Fund um die menschlichen Überreste der damals ebenfalls verstorbenen Häftlinge. In allen acht Lagern der Region Stuttgart zusammen sollen laut "Stuttgarter Nachrichten" in den letzten Kriegsmonaten mindestens 3.200 Menschen ums Leben gekommen sein.

(ap)
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