Fünfeinhalb Jahre Haft 22-Jähriger nach tödlicher Messerattacke verurteilt

Mannheim · Er attackierte vor der Polizeiwache den Sohn seines Ex-Arbeitgebers, der junge Mann starb. Jetzt muss der 22-Jährige Angreifer für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Der wahre Schuldige ging nach Ansicht des Gerichts bislang straffrei aus.

Es waren dramatische Szenen, die sich vor knapp einem Jahr direkt vor einer Polizeiwache abspielten. Vier Männer gingen mit Fäusten und mindestens einem Messer auf einen Geschäftsmann und seinen Sohn los. Am Ende lag der 20 Jahre alte Sohn tot auf dem Boden, sein Vater kam schwer verletzt und traumatisiert ins Krankenhaus. Am Dienstag verurteilte das Mannheimer Landgericht einen 22-Jährigen zu fünfeinhalb Jahren Haft. Es machte zugleich klar: Der mutmaßliche Haupttäter kam bislang ungeschoren davon.

Der Auseinandersetzung in der Mannheimer Innenstadt war ein monatelanger Streit um Geld vorausgegangen. Der Geschäftsmann hatte den 22-jährigen Verurteilten schwarz auf Baustellen beschäftigt, bis Zollprüfer kamen und dem einen Riegel vorschoben. Der junge Arbeiter blieb auf Lohnforderungen von 2400 Euro sitzen. Weil das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten war, wurde er monatelang immer wieder vertröstet. Schließlich schaltete sich sein Bruder ein. Und bedrohte den Bauunternehmer und dessen Familie.

Fehlender Lohn war Auslöser des Streits

Anfang September zahlte die Firma zwar, doch die Atmosphäre war längst vergiftet. Die Schuld sei beglichen gewesen, übrig geblieben sei einzig und allein "verletzter Stolz, verletzte Eitelkeit", sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Meinerzhagen. Eine Aussprache in der Innenstadt, zu der die Brüder zwei Bekannte mitbrachten, eskalierte. Während die Bekannten den Vater in Schach hielten, griffen die Brüder den Sohn an, der plötzlich schrie: "Er hat ein Messer".

Der 20-jährige Unternehmersohn flüchtete zum Eingang der Polizeiwache, doch dort tat nur ein einziger Beamter seinen Dienst. Der habe zwar den Türöffner gedrückt, aber der Verfolgte habe aus Angst gegen die Tür gedrückt, anstatt sie aufzuziehen - und schließlich aufgegeben, berichtete Meinerzhagen. Einer der Brüder zog ein Messer und stach damit auf den jungen Mann ein. Der lief zwar noch über die Straße, konnte den beiden aber nicht mehr entkommen.

Der junge Mann starb wenige Minuten später an einem Messerstich in die Brust, der die Lunge traf und ein großes Blutgefäß verletzte. Der Vater, der seinen Sohn beschützen wollte, wurde schwer verletzt. Ein Messerstich verfehlte nur knapp seine Bein-Arterie.

Unklar blieb, wer mit dem Messer zustach

Wer genau mit einem Messer zustach, habe das Gericht nicht klären können, sagte der Richter. Deshalb sei der 22-Jährige auch nicht wegen Totschlags, sondern wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Dass nur er vor Gericht stand, nicht aber die drei anderen Tatbeteiligten, lag daran, dass die Ermittlungen gegen sie eingestellt wurden. Das kann sich nach Ansicht des Anwalts des Unternehmers und Vaters allerdings nun ändern. Ob die Staatsanwaltschaft jetzt auch den mutmaßlichen Haupttäter, den Bruder des Angeklagten, vor Gericht bringe, hänge von der Urteilsbegründung ab.

Nach der Tat kursierten schwere Vorwürfe gegen den jungen Polizisten, der am Tatabend allein in der Wache war, vor der der junge Mann erstochen wurde. Das Gericht kam aber zu dem Schluss, dass ihm nichts vorzuwerfen sei. Denn der Diensthabende sei sofort aus dem Fenster geklettert und auf die Straße gelaufen, um die Kontrahenten voneinander zu trennen. Und dabei selbst in Gefahr geraten, sagte Meinerzhagen. Der Polizist kehrte nur kurz zur Wache zurück, um Verstärkung und einen Notarzt anzufordern. Den Tod des 20-Jährigen verhinderte er nicht mehr.

(dpa)
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