Justizopfer Gustl Mollath rechnet in Interview ab "Man wird gedemütigt, entwürdigt, erniedrigt"

Düsseldorf · Jahrelang saß Gustl Mollath in der Psychiatrie, möglicherweise zu unrecht. Dann wurde er plötzlich nach einem Urteil binnen Stunden freigelassen. Jetzt rechnet er ab, mit den Kliniken, mit dem Staat. Und er verrät, was er mit seiner Freiheit anfangen will.

Die ersten Schritte Mollaths in Freiheit
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Im Interview mit dem "Stern" erhebt Mollath schwere Vorwürfe gegen die psychiatrischen Kliniken in Deutschland. Man habe ihn dort willkürlich gedemütigt und erniedrigt. Ständig habe er damit rechnen müssen, unter Zwangsmedikation gestellt zu werden.

Was das bedeutet hätte, habe er an Mitpatienten sehen können, so der 56-Jährige: "Da werden Menschen folterähnlichen Umständen ausgeliefert." Einmal habe er einen Fall erlebt, bei dem ein Patient sich nach einem Medikamentencocktail so schwer habe übergeben müssen, "als müsste er seine Innereien rauswürgen."

Auch die Umstände seiner Freilassung prangert Mollath in dem Interview an. Er sei nicht darauf vorbereitet worden, man habe ihn einfach vor die Tür gesetzt. Er habe dagestanden ohne Übernachtungsmöglichkeit und ohne einen gültigen Ausweis, obwohl er mehrfach darum gebeten habe. "Dieser ach so treusorgende Sozialstaat, dieses ach so fürsorgliche Krankenhaussystem hilft mir nicht", klagt Mollath.

Zu den Umständen seiner Einweisung in die Psychiatrie sagt er: "Bei mir hat der deutsche Rechtsstaat versagt."

Mollath wurde vorgeworfen, seine damalige Frau mehrfach gewürgt und Autoreifen zerstochen zu haben. Wegen Schuldunfähigkeit wurde er davon zwar freigesprochen, dann aber in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte Anfang August überraschend seine Freilassung angeordnet. Sein Verfahren muss vor dem Landgericht Regensburg neu aufgerollt werden. Als Vorbereitung darauf will Mollath "Dutzende Kisten voller Unterlagen studieren".

Bis es soweit ist, will Mollath einen "normalen, selbstbestimmten Alltag genießen" und endlich wieder selbst kochen, mit Olivenöl und Knoblauch.

(csr)
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