Drohung mit Regressforderung Lufthansa nennt Flugverbot "skandalös"

Frankfurt (RPO). Deutschlands größte Airline nennt die Sperrung des Luftraums skandalös. Lufthansa bemängelt, dass sich die Behörden nur auf Prognosen stützen. Ob tatsächlich gefährliche Asche in der Luft sei, habe niemand überprüft. Jets kehrten "ohne einen Kratzer" von Testflügen zurück. Die Airline, der wegen des Flugverbots massiv Umsatz entgeht, behalte sich Regressansprüche vor.

Frankfurt (RPO). Deutschlands größte Airline nennt die Sperrung des Luftraums skandalös. Lufthansa bemängelt, dass sich die Behörden nur auf Prognosen stützen. Ob tatsächlich gefährliche Asche in der Luft sei, habe niemand überprüft. Jets kehrten "ohne einen Kratzer" von Testflügen zurück. Die Airline, der wegen des Flugverbots massiv Umsatz entgeht, behalte sich Regressansprüche vor.

"Wir halten es für skandalös, dass die Verbote nur auf Grundlage einer einzigen Quelle verhängt werden", sagte Lufthansa-Konzernsprecher Klaus Walther am Sonntag. "Wir behalten uns auch vor, die Frage zu stellen, wer haftet eigentlich, wer kommt für die Schäden auf?", sagte der Sprecher.

Es sei zwar korrekt, dass der Luftraum anfangs ohne Messungen gesperrt worden sei, um Gefahren zu vermeiden. Aber danach hätten die Behörden sofort mit Tests und Messungen beginnen müssen, um das weitere Vorgehen zu untermauern. Außerdem hätten mehrere Informationsquellen genutzt werden müssen.

Das sei aber seit Tagen nicht passiert, während der leere Himmel und das Chaos am Boden die Volkswirtschaft Milliarden kosteten, sagte Walther. Auch die Ergebnisse der Testflüge von Fluggesellschaft seien nicht herangezogen worden. Das beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen stationierte Messflugzeug sei immer noch nicht gestartet, laut Ministerium könne es erst am Montag abheben, kritisierte der Sprecher.

Lufthansa fordert Krisenstab

"Wir haben elf Flugzeuge verlegt, alle sind ohne Befunde gelandet, es gab keine sonderbaren Ablagerungen in den Triebwerken und auch keine sichtbaren Schäden", sagte Walther. Die Behörden befürchten, die Asche-Teilchen aus dem isländischen Vulkan könnten die Flugzeugmotoren verkleben, zudem könne der niedrige Sauerstoffgehalt in den Asche-Wolken die Flieger gefährden. Daher ist der deutsche Luftraum seit Tagen gesperrt.

Walther schloss sich der Forderung von Air-Berlin-Chef Joachim Hunold nach einem Krisenstab des Verkehrsministeriums an. "Das Ministerium sollte jetzt schleunigst handeln", sagte der Lufthansa-Sprecher.

Hoffnung auf Starts am Sonntag

Die Lufthansa hofft, dass der Flugbetrieb noch am Sonntag wieder aufgenommen wird. "Wir hoffen, dass es ab 20.00 Uhr wieder losgeht", sagte Walther. Bis dahin ist der deutsche Luftraum nach jetzigem Stand gesperrt. Der Verbleib am Boden kostet die Fluggesellschaft eine Menge Geld. Die Einnahmeausfälle summierten sich auf mindestens 25 Millionen Euro am Tag, soviel hatte der Pilotenstreik vor einigen Wochen gekostet.

Lufthansa habe eine gesunde Bilanz, ein gutes Cashpolster und flexible Regelungen mit den Gewerkschaften und komme daher noch gut durch diese Krise. Gesellschaften, deren Bilanz schlechter aussehe, könnten aber Existenzprobleme bekommen. Er könne nicht ausschließen, dass die Vulkan-Krise der Konsolidierung in Europas Luftfahrtbranche einen Schub gebe, sagte Walther weiter.

Nach einer Freigabe des Luftraums könnte es etwas schneller wieder Normalbetrieb geben als nach dem Pilotenstreik, prognostizierte er. In den ersten Stunden gebe es voraussichtlich nur 30 Prozent der üblichen Flüge, dann werde sukzessive hochgefahren. Der Normalbetrieb werde dann aber nicht vier bis fünf Tage auf sich warten lassen.

DFS und DWD weisen Kritik am Flugverbot zurück

Die Deutsche Flugsicherung DFS und der Deutsche Wetterdienst (DWD) wiesen die Kritik der Airlines zurück. Sprecher von DFS und DWD sagten, sie seien an verbindliche Vorgaben gebunden. "Wir müssen nach Sicherheit handeln, nicht nach Wirtschaftlichkeit", betonte DFS-Sprecherin Kristina Kelek.

Verweis auf gleiche Praxis in anderen Ländern

DWD-Meteorologe Christoph Hartmann sagte, der Wetterdienst bekomme seine Daten zur Vulkanasche vom Vulcanic Ash Advisory Centre in London, "und die sind verbindlich für die Kollegen von der Flugwetterberatung". Die Flugwetterberatung machen dann eine ganz normale Meldung, "wie bei einem Gewitter auch", für die DFS. Hartmann verwies zudem auf Messungen des DWD über Süddeutschland zu Vulkanasche. Die Messstation auf dem Hohenpeißenberg bei München habe in den Luftschichten zwischen drei und sieben Kilometern gemessen, dass dort Ozon stark reduziert sei. Das passiere, wenn Ozon mit Vulkanasche reagiere.

Die DFS plant laut Sprecherin Kelek die Luftraumsituation anhand der DWD-Daten. Danach errechne sie, wo sich die mit Vulkanasche kontaminierten Gebiete befänden. Auf dieser Grundlage sei die DFS dann an bestimmte Vorschriften gebunden, die für alle Flugsicherungen weltweit gelten. Sie verwies darauf, dass die anderen europäischen Länder genauso handelten.

Fluggesellschaften für Testflüge selbst verantwortlich

"Wir müssen in erster Linie so handeln, dass die Sicherheit im deutschen Luftraum gewährleistet ist", sagte Kelek. Wenn sich die DFS nicht an diese Vorgaben halte, hafte sie für die Folgen. Sie verwies darauf, dass nicht die Flughäfen gesperrt würden, sondern verschiedene Sektoren des Luftraums. Die Fluggesellschaften, die nun Testflüge gestartet hätten, seien dafür selbst verantwortlich, deswegen seien die Flüge auch ohne Passagiere erfolgt. Es sei aber unmöglich, dass der gesamte Flugverkehr mit Passagiermaschinen in den niedrigen Flughöhen abgewickelt werde, in denen die Testflüge stattgefunden hätten.

Je nachdem, wie sich die kontaminierten Gebiete veränderten, könne die DFS verschiedene Sektoren freigeben, sagte Kelek. Am Samstag sei beispielsweise der Flugsektor ab etwa 12.000 Meter freigegeben worden. Das nütze aber nichts, wenn die darunterliegenden Sektoren nicht freigegeben seien, da keine Starts und Landungen durch kontaminiertes Gebiet möglich seien.

EU prüft Öffnung ab Anfang der Woche

Die Europäische Kommission prüft derzeit, ob ab Anfang nächster Woche einige Flugstrecken in dem wegen der Aschewolken geschlossenen Luftraum über Europa wieder geöffnet werden können. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas stehe seit Samstag mit der europäischen Aufsichtsbehörde Eurocontrol und den Behörden der Mitgliedstaaten in engem Kontakt, "um mögliche Optionen zur Freigabe einiger Flüge zu prüfen", sagte seine Sprecherin Helen Kearns am Sonntag. "Aber die Sicherheit hat vor allem Vorrang und wenn die Wissenschaft sagt, dass die Lufträume geschlossen bleiben müssen, bleiben sie geschlossen", ergänzte sie. Eine nächste Arbeitssitzung war demnach für Sonntagabend vorgesehen.

(RTR/APD/AFP/sdr)
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