Kriminalitätsstatistik für 2017 Behörden zählen mehr Opfer von Kinderpornografie

Berlin/Düsseldorf · Die Gewalt gegen Kinder hat leicht zugenommen und zeigt sich auf immer mehr Internetseiten, die Kinderpornografie verbreiten. Oftmals muss das Bundeskriminalamt die Ermittlungen aber einstellen.

Kriminalitätsstatistik 2017: Mehr Opfer von Kinderpornografie
Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Es sind erschreckende Zahlen: Im Durchschnitt werden in Deutschland jede Woche mindestens zwei Kinder getötet. Täglich werden fast 50 misshandelt oder sexuell missbraucht. Das zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik für das vergangene Jahr, die am Dienstag erschienen ist.

So wurden insgesamt 143 Kinder getötet, mehr als 4200 erlebten Misshandlungen, etwa 13.500 wurden Opfer von sexueller Gewalt. Häufig stehen die Täter den Kindern nahe, sind Verwandte oder Bekannte. „Dadurch haben wir eine hohe Aufklärungsrate von 80 Prozent“, sagte Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA). „Allerdings nur, wenn die Fälle bekannt werden. Es gibt ein großes Dunkelfeld, weil viele Opfer nicht bereit sind, die Täter anzuzeigen.“

Massiver Anstieg an Kinderpornografie

Eine andere und zunehmende Art der Gewalt zeigt sich im Internet. Rund 7800 Fälle von Kinder- und Jugendpornografie zählte die Polizei – 16 Prozent mehr als im Vorjahr. „Durch das Internet ist die sexuelle Gewalt gegen Kinder in neue Dimensionen vorgedrungen“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig, Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Besonders erschreckend sei der Anstieg von extrem harten Gewaltszenen sowie Fotos und Videos von Kleinkindern oder Babys.

Ob mehr Material durch das Internet schwirrt oder mehr Fälle angezeigt werden, ist nicht ganz klar, heißt es vom BKA. Insgesamt würden mehr verdächtige Inhalte gemeldet. Der britischen Internet Watch Foundation zufolge hat sich die Anzahl der Internetseiten mit Kinderpornos seit 2014 mehr als verdoppelt. Etwa 80.000 Seiten mit pornografischen Fotos und Videos von Kindern und Jugendlichen existieren, vor allem bei Anbietern, bei denen die Nutzer selbst Bilder hochladen können. Jede dritte Seite zeigt schwere Verbrechen wie Folter und Vergewaltigungen. Etwa jedes zweite Kind ist jünger als zehn Jahre, 85 Prozent sind Mädchen.

Verfolgung erschwert

Die Verfolgung der Täter ist in Deutschland allerdings erschwert. 35.000 Hinweise bekamen die Ermittler aus den USA, wo die Provider dazu verpflichtet sind, verdächtige Inhalte zu melden. Doch ein großer Teil der Ermittlungen muss eingestellt werden, weil die Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt ist. Bei 8400 Hinweisen auf Kinderpornografie waren dem BKA-Chef zufolge die IP-Adressen gelöscht.

Mit den Adressen könnten die Ermittler herausfinden, von welchem Computer eine Tat begangen wurde. Andere Täter nutzen darum einen öffentlichen Hotspot, um Bilder oder Videos hoch- oder runterzuladen und können so nicht identifiziert werden. Den Ermittlern bleibe dann nur, das Material zu sichten und nach Hinweisen auszuwerten. Eine aufwendige und wenig erfolgversprechende Methode, wie Münch sagt. Deshalb plädiert er für die Vorratsdatenspeicherung. „Datenschutz darf nicht vor Kinderschutz stehen“, sagte auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung. Rörig fordert zudem eine Anhebung der Höchststrafe für den Besitz von Kinderpornografie von drei auf fünf Jahre Haft.

Seiner Meinung nach sollte auch der Versuch des sogenannten Cybergroomings strafbar sein, also das gezielte Ansprechen von Kindern und Jugendlichen im Internet für sexuelle Kontakte. „Täter nutzen Online-Spiele, Chats und soziale Medien, um Kontakt aufzunehmen, unbeobachtet von Eltern und Außenwelt“, sagte Rörig. „Kinder- und Jugendschutz findet im Internet überhaupt nicht statt.“ Dringend notwendig seien eine Modernisierung des Jugendmedienschutzes und ein neues Schulfach „Medienkompetenz“ ab der ersten Klasse.

(veke)
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