Staatsanwaltschaft ermittelt Krankenpfleger mutmaßlich für 100 Todesfälle verantworlich

Oldenburg · Ein ehemaliger Krankenpfleger könnte in mehr als 100 Todesfälle verwickelt sein. Seit September wird bereits wegen dreifachen Mordes gegen den Mann ermittelt.

In Oldenburg hat im September der Prozess gegen einen ehemaligen Krankenpfleger begonnen.

In Oldenburg hat im September der Prozess gegen einen ehemaligen Krankenpfleger begonnen.

Foto: dpa, crj fdt

Es ist eine grausige Vorstellung: Auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst könnten viele Patienten gestorben sein, weil ein Krankenpfleger ihnen ohne ärztliche Genehmigung ein Medikament spritzte, das tödliche Herz- und Kreislaufprobleme auslösen kann. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg weitere Ermittlungen gegen den 38-Jährigen wegen mehrfachen Mordverdachts eingeleitet. Es könnten über 100 Fälle sein, sagte am Mittwoch der Sprecher der Behörde, Martin Rüppell.

Der Angeklagte soll sich nach Aussagen von Mithäftlingen mit seinen Taten gebrüstet und sich "als größter Serienmörder der Nachkriegsgeschichte" bezeichnet haben. Laut Anklage soll der 38-Jährige das Medikament nicht aus Mitleid mit den Schwerkranken verabreicht haben, sondern um seine Fähigkeiten bei der Reanimation vorführen zu können, später auch aus Langeweile.

Der 38-Jährige muss sich seit September vor dem Landgericht Oldenburg verantworten. Ihm wird dreifacher Mord und zweifacher Mordversuch vorgeworfen. Wegen einer ähnlichen Tat war der Mann bereits 2008 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Einen Verdacht auf weitere Fälle hatten die Ermittler schon damals, er ließ sich nach Polizeiangaben aber nicht erhärten.

Ein Sachverständiger solle jetzt alle Todesfälle im Klinikum Delmenhorst in der Zeit von März 2003 bis Juni 2005 untersuchen, in denen der Krankenpfleger zum Zeitpunkt des Todes eines Patienten oder unmittelbar davor Dienst hatte, sagte Rüppell. Ermittelt werde in den Fällen, in denen der Gestorbene nicht feuerbestattet wurde. Ein jeweiliges Gutachten solle dann klären, ob der Tod des Patienten sich durch seine Grunderkrankung erklären lasse. Sei dies nicht eindeutig nachzuweisen, solle der Leichnam exhumiert werden. Bei einer Obduktion werde untersucht, ob ihm das nicht verordnete Medikament verabreicht wurde, sagte Rüppell. "Wenn der Patient unmittelbar daran gestorben ist, können wir das Medikament noch nachweisen."

Die neuen Ermittlungen wurden durch verschiedene Zeugenaussagen während des Prozesses gegen den 38-Jährigen erforderlich. Bereits zum Auftakt hatte ein ehemaliger Oberarzt am Klinikum ausgesagt, dass sich der Verbrauch des Medikaments mit dem Wirkstoff Ajmalin während der Beschäftigungszeit des Angeklagten nahezu verdreifacht hatte. Auch stieg die Sterberate in der Zeit auf bis zu zehn Prozent. Davor und danach lag sie nach Angaben des Zeugen bei rund der Hälfte.

Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen. Nahezu gelangweilt verfolgt der übergewichtige Mann die Verhandlungstage. Bei einer der Anklage entsprechende Verurteilung droht dem 38-Jährigen neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe auch die Anordnung von Sicherungsverwahrung.

Das Klinikum Delmenhorst unterstütze die Ermittlungen in vollem Umfang, teilte eine Sprecherin der Klinik am Mittwoch mit. Die Mitarbeiter des Hauses seien von dem vermuteten Ausmaß "zutiefst betroffen und schockiert", ihr Mitgefühl gehöre den Opfern und Angehörigen.

(dpa)
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