Berlin-Mitte Polizei löst linkes Wagencamp auf – Angriffe auf Beamte

Berlin · Seit Jahren leben Linksautonome in Bauwagen auf einem Grundstück im Herzen Berlins. Jetzt erwirkte der Eigentümer die Räumung. Hunderte Polizisten setzen sie durch – und treffen auf Widerstand.

Polizei räumt Wagenburg in Berlin-Mitte
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Polizei räumt Wagenburg in Berlin-Mitte

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Foto: dpa/Paul Zinken

Es war eines der letzten Symbolprojekte der linksautonomen Szene in Berlin: Hunderte Polizisten haben am Freitag das Wagencamp „Köpi-Platz“ in Berlin-Mitte geräumt. Aus Protest dagegen sind danach am Abend mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen. Die Stimmung sei sehr aggressiv, sagte eine Polizeisprecherin. Es gebe Angriffe auf Polizisten und Polizistinnen, einige Kollegen seien verletzt. Auch Angriffe mit Stangen und teils gravierende Sachbeschädigungen an Autos habe es gegeben, hieß es später in einem Tweet der Polizei. Es gebe zahlreiche Festnahmen, auch mit Hilfe körperlichen Zwangs.

Die Sprecherin sagte, die Demonstration habe sehr viel mehr Teilnehmer als angemeldet, die Zahl bewege sich im oberen vierstelligen Bereich. Bei einer Solidaritätsdemo in Hamburg gingen am Abend mehrere Hundert Menschen auf die Straße.

Die Bewohner der Bauwagen neben einem 1990 besetzten Altbau hatten Widerstand angekündigt und sich am Morgen hinter einem hohen Zaun verbarrikadiert. Auf der Straße und auf Twitter wiederholten Unterstützer trotzig „Köpi bleibt“. Mit gepanzerten Räumfahrzeugen schafften es die Beamten aber dann doch auf das Gelände und führten die rund 40 Bewohner schließlich einen nach dem anderen hinaus.

Genaugenommen diente der Einsatz mit bis zu 2000 Polizisten nur dazu, einer Gerichtsvollzieherin Zutritt zu verschaffen, die ihrerseits einen gerichtlichen Räumungsbeschluss im Sinne des Grundstückseigentümers umsetzte. Dieser hatte schon im Juni vor dem Landgericht Berlin geklagt und Recht bekommen. Ein Einspruch der Bewohner vor dem Kammergericht scheiterte. Die Polizei betonte am Freitag, dass sie nur im Zuge der Amtshilfe tätig geworden sei.

Die Bewohner hatten erklärt, sie würden am „Tag X“ nicht „kampflos“ aufgeben. Das Wagencamp präsentierten sie als autonomen, von Profitgier bedrohten Freiraum und als Zuhause für Dutzende Menschen. Ihr Anwalt Moritz Heusinger sagte am Freitag, die Bewohner seien „am Rande des Nervenzusammenbruchs“ und fürchteten um ihre Lebensgrundlage. Wie weit die Gegenwehr gehen würde, war aber schwer einzuschätzen. Kurz vor der Räumung brüllte eine Frau vom Inneren des Geländes per Megafon den Polizisten ein wütendes „Verpisst euch!“ entgegen. Einige Menschen stiegen auf dem Gelände auf Bäume, um die Polizeiaktion zu stoppen.

Die Polizei hatte ihrerseits den Einsatz tagelang vorbereitet und die Umgebung schon am Donnerstag abgesperrt. Neben Berliner Beamten wurden 700 Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei herbeigeordert. Als kurz vor der Räumung am Freitagvormittag immer mehr Gegendemonstranten zu drei angemeldeten Kundgebungen strömten, gab es heftige Rangeleien mit Polizisten. „Köpi“-Unterstützer prangerten auf Twitter das Vorgehen der Beamten an. Die Polizei meldete in einer vorläufigen Bilanz 21 Festnahmen.

Aus Sicht der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus hätte die Eskalation durchaus vermieden werden können. Der Eigentümer habe das Grundstück über Makler zum Verkauf angeboten und sich in Verhandlungen bereit gezeigt, es an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen, teilte die Linksfraktion mit. Kaufpreis, Kaufvertrag und Notartermin hätten bereits festgestanden. „Dann ließ der Eigentümer die Verhandlungen platzen.“ So wolle „der Immobilienkonzern hier offenbar den Wert seines Spekulationsobjektes durch eine Räumung erhöhen lassen“, mutmaßte die Linksfraktion.

Vor Gericht hatte der Eigentümer hingegen auf seine Bauabsichten verwiesen. Am Freitagnachmittag sah es so aus, als hätte er seine Interessen erst einmal durchgesetzt. Allerdings war die linksautonome Szene nach dem, was auf Twitter gepostet wurde, immer noch in Aufruhr.

Schon in den vergangenen Nächten waren in Berlin immer wieder Autos beschädigt oder in Brand gesteckt und Scheiben eingeworfen worden. Auch in Hamburg trommelte die Szene zur Solidaritätsdemo - unter dem Motto „Defendköpi“. Nach Polizeiangaben gingen dort etwa 500 Demonstranten aus der linksautonomen Szene auf die Straße; begleitet von Bengalofeuer und knallenden Böllern. Aus dem linksautonomen Zentrum „Rote Flora“ gab es Lautsprecherdurchsagen wie: „Heute haben wir das faschistische Gesicht des Staates und des Kapitalismus gesehen.“

Das 1990 besetzte Gebäude in Berlin neben dem Wagenplatz - das Hinterhaus eines Altbaus ohne Vorderhaus - war übrigens von der Räumung nicht betroffen. Neben Wohnungen in den oberen Stockwerken gibt es im Keller und den unteren Geschossen einen Konzertraum, eine Kletterwand, eine kleine Sporthalle und ein Kino.

(csi/dpa)
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