Diebstahl und Schlamperei Kölner U-Bahn-Bau versinkt im Chaos

Köln/Düsseldorf (RP). Nur 17 Prozent der geplanten Stahlbügel sollen an einigen Baustellen der Kölner U-Bahn eingebaut worden sein. Der Rest sei an Schrotthändler verkauft worden, heißt es. Experten sprechen von "Schlamperei" und fordern schärfere gesetzliche Regelungen für die Kontrolle von Baustellen. Auch in Düsseldorf sorgen die Meldungen aus der Domstadt für Unruhe.

Kölner Stadtarchiv: So sieht die Einsturzstelle 2009 aus
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Kölner Stadtarchiv: So sieht die Einsturzstelle 2009 aus

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An den "tollen Tagen”, die die Kölner vom Altweiber-Donnerstag bis zum Aschermittwoch feiern, herrscht in der Stadt stets eine Art Ausnahmezustand. Spaß an der Freud‘ ­ anderes kann die Gemüter dort auf diesem Höhepunkt der Session eigentlich nicht erregen. Doch diesmal ist es anders.

Die Nachricht, dass knapp ein Jahr nach dem Einsturz des Stadtarchivs mit zwei Toten schwerwiegende Baumängel am U-Bahn-Bau festgestellt worden sind, vermiest vielen Jecken die Laune. In der Baugrube am Heumarkt sollen nur 17 Prozent der vorgesehenen Stahlbügel verbaut worden sein. Ähnliches wird für die Baustellen am Waidmarkt und Rathaus befürchtet. Die Eisenverankerungen sollen eingespart und an Schrotthändler verkauft worden sein.

Diebstahl hätte "zweifelsfrei auffallen" müssen

"Was in Köln passiert ist, ist eine Schlamperei", sagt der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik, Manfred Tiedemann. Die in Köln enthüllten Mängel sind auch für den Präsidenten der Ingenieurkammer NRW, Heinrich Bökamp, nicht entschuldbar. Manfred Tiedemann bezweifelt, dass es die erforderlichen Kontrollen durch eine Bauaufsicht gegeben hat. "Dabei hätte zweifelsfrei auffallen müssen, dass nur 17 Prozent der Stahlbügel verbaut wurden.”

"Grundsätzlich” sind laut Manfred Tiedemann "starke Defizite” bei der Überwachung von Bauarbeiten festzustellen. Immer öfter werde auf Kontrollen durch unabhängige Experten verzichtet. "Hier hat man versucht, die Sicherheit wirtschaftlich zu optimieren”, meint Heinrich Bökamp. Nach Ansicht von Manfred Tiedemann trägt auch der Staat ein gehöriges Maß an Mitverantwortung.

Gesetze seien immer mehr liberalisiert worden. Vieles werde den Bauherren freigestellt. "Das Dilemma in Köln scheint zu sein, dass die ganze Kontrolle in Händen der Verkehrsbetriebe lag”, kritisiert der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Prüfingenieure. Schon in der Ausschreibung des U-Bahnbaus sei erkennbar gewesen, dass der mit der Prüfung beauftragt werde, der das billigste Angebot mache.

"Wir wissen noch zu wenig"

Die Lage in Köln kann nach Meinung von Heinrich Bökamp mit der zu erwartenden Schneeschmelze prekär werden. Dann steige der Grundwasserspiegel und der Druck auf die Baustellenwände, in denen die der Stabilisierung dienenden Stahlbügel nicht eingebaut seien.

Die Bauaufsicht über die Kölner U-Bahn hat die Bezirksregierung Düsseldorf. Dezernatsleiter Matthias Vollstedt ist zurückhaltend: "Wir wissen noch zu wenig. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen noch.” Es sei nicht Sache seiner Behörde, die Arbeiten laufend zu überprüfen. Sie wache darüber, "dass Bauherr, Unternehmen und Bauleitung ihre Pflicht tun”. Für das Geschehen vor Ort sei die Bauleitung verantwortlich. Die Bezirksregierung nehme stichprobenartige Kontrollen vor.

Unruhe auch in Düsseldorf

Vollstedt wollte Vermutungen nicht bestätigen, wonach in Köln Poliere, die für den Bau zuständig sind, einzelne Bauabschnitte selbst abgenommen haben. Ein solches "In-sich-Geschäft” hielte er aber für unangemessen. Die Bezirksregierung habe ein Düsseldorfer Ingenieurbüro, das seit dem Einsturz des Stadtarchivs mit der "hoheitlichen Aufsicht” über den U-Bahn-Bau beauftragt ist, aufgefordert, die Kontrollen zu verdichten.

Auch in Düsseldorf hat die Nachricht vom Pfusch am Kölner U-Bahn-Bau erhebliche Unruhe ausgelöst ­— vor allem, weil ein unter Verdacht geratener Polier auch in Düsseldorf gearbeitet hat, inzwischen aber beurlaubt wurde. In Absprache mit dem Rathaus und auf Anordnung der Bezirksregierung werden sämtliche Bauprotokolle nochmals geprüft. Dass die Aufzeichnungen —­ anders als in Köln —­ nicht manipuliert sind, gilt in Düsseldorf als sicher: Bei allen Schritten war ein unabhängiger Ingenieur anwesend und hat die Bauarbeiten protokolliert.

Die Ergebnisse der Überprüfung werden an die Bezirksregierung weitergeleitet. Gerd Wittkötter, Projektleiter der Düsseldorfer U-Bahn-Baustelle, versichert: "Bisher gibt es keinerlei Hinweise auf Unstimmigkeiten."

(RP)
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