Ehemalige Häftlinge verlassen Gemeinde Insel Kleines Dorf wehrt sich gegen Sexualstraftäter

Insel (RPO). Nicht in unserer Gemeinde - so lautet die Antwort vieler Bürger, wenn es darum geht, ehemalige Sexualstraftäter in ihrer Heimat unterzubringen. In einer kleinen Gemeinde in Sachsen-Anhalt hatte der Bürgerprotest nun Erfolg. Zwei dort wohnende Ex-Sicherungsverwahrte haben eingewilligt, den Ort zu verlassen. Das Beispiel zeigt, dass die Politik noch immer ein Problem hat: Wohin mit den ehemaligen Straftätern?

Sicherungsverwahrung - die härteste Strafe in Deutschland
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Foto: dapd

Insel (RPO). Nicht in unserer Gemeinde - so lautet die Antwort vieler Bürger, wenn es darum geht, ehemalige Sexualstraftäter in ihrer Heimat unterzubringen. In einer kleinen Gemeinde in Sachsen-Anhalt hatte der Bürgerprotest nun Erfolg. Zwei dort wohnende Ex-Sicherungsverwahrte haben eingewilligt, den Ort zu verlassen. Das Beispiel zeigt, dass die Politik noch immer ein Problem hat: Wohin mit den ehemaligen Straftätern?

Protestierende Menschen, die sich gegen die Unterbringung von ehemaligen Sexualstraftätern in ihren Orten wehren - dieses Bild erregte immer wieder Aufmerksamkeit nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Oktober 2010. Die Richter erklärten die in Deutschland gültige nachträgliche Sicherungsverwahrung für ungültig. Die Folge: Einige der ehemaligen Täter mussten freigelassen werden.

Und so wehrten sich etwa die Menschen in der NRW-Stadt Heinsberg gegen die Unterbringung eines Entlassenen bei ihnen, aber eben auch in einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt: der 475-Seelen-Gemeinde Insel. Dort waren Mitte Juli zwei ehemalige Sicherungsverwahrte aus Freiburg hingezogen - der Beginn eines langen Protestes.

Mit Trommeln protestiert

So schrieb etwa der "Tagesspiegel" Ende September, wie die Einwohner mit Trommeln, Ratschen und Kochgeschirr vor jenes Haus zogen, in dem die beiden Entlassenen inzwischen ihr Quartier bezogen hatten. Und das immer wieder, wochenlang. Auf Transparente schrieben sie nach dem Bericht etwa "Wir wollen keine Sexualstraftäter in unserem Dorf". Einer der ehemaligen Straftäter sagte der Zeitung: "Der Lärm ist unerträglich. Dagegen war sogar die Dauerüberwachung in Freiburg Gold."

Die beiden Männer hatten, wie die Zeitung weiter schreibt, vor Jahrzehnten mehrfach Frauen vergewaltigt. Als sie im Herbst 2010 frei kamen, überwachte sie die Polizei auf Schritt und Tritt. In Freiburg habe ihnen keiner eine Wohnung vermieten wollen - und so folgte der Umzug nach Insel.

Mit den Protesten in der Gemeinde dürfte es nun aber erst einmal vorbei sein, denn die Entlassenen wollen Insel nun wieder verlassen, wie mehrere ortsansässige Medien berichten. Laut mdr.de teilte das Innenministerium mit, dass die beiden Männer in diese Lösung eingewilligt hätten, nachdem ein Krisentreffen mit Innenminister, Superintendent und Ortsbürgermeister stattgefunden hatte. Die Regierung wolle die beiden auch bei ihrem Umzug unterstützen. Doch wohin sie nun gehen, ist noch offen.

Sogar der Innenminister mischte sich ein

Im Landtag von Sachsen-Anhalt, so schreibt die "Mitteldeutsche Zeitung" sorgte der Fall aber am Donnerstag für Unmut. Nicht nur, weil sich der Ortsbürgermeister an die Spitze der Proteste gestellt und am Ende sogar die Anwesenheit von Neonazis toleriert habe, sondern weil sich auch der Innenminister, Holger Stahlknecht, eingemischt habe. Er habe sich "zum Agenten der Straße" gemacht, zitiert die Zeitung aus der Landtagssitzung. Sein Handeln habe dazu geführt, "dass sich die durchgesetzt haben, die den Rechtsstaat erpressten".

Stahlknecht selbst erklärte gegenüber der Zeitung: "Selbst wenn der Wegzug der beiden Männer die schlechteste Lösung ist, mir wäre in dieser Situation keine bessere eingefallen. Und genau darin liegt auch das Problem der Länder nach dem Urteil des Straßburger Gerichtshofes. Denn sobald bekannt wird, dass ein ehemaliger Sexualstraftäter in einen Ort zieht, werden die Einwohner unruhig, was für viele Menschen nachvollziehbar ist.

Doch wohin sollen dann die ehemaligen Täter, um wieder in das normale Leben integriert werden zu können? Die gesetzliche Grundlage gibt es zumindest inzwischen. Nach dem Therapie- und Unterbringungsgesetz sollen Menschen, die unter einer psychischen Störung leiden und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden können. Vielerorts wird aber noch immer nach einem geeigneten Standort gesucht.

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