Riesige Studie veröffentlicht Kinderschänder meist Verwandte oder Freunde

Berlin (RPO). Es ist es riesige Studie zum Thema Kindesmissbrauch in Deutschland und sie brachte erstaunliche Fakten ans Licht. So ist die Zahl der Fälle in Deutschland erheblich zurückgegangen. Immer mehr Opfer trauen sich indes, das geschehene Verbrechen zur Anzeige zu bringen. Auch über die Täter selbst brachten die Forscher viel in Erfahrung.

 Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Christian Pfeiffer und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bei der Pressekonferenz zur Studie. Foto: dapd, dapd

Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Christian Pfeiffer und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bei der Pressekonferenz zur Studie. Foto: dapd, dapd

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Die Fälle von Kindesmissbrauch in Deutschland gehen zurück. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) im Auftrag des Bundesbildungsministeriums, aus der am Dienstag in Berlin erste Ergebnisse vorgestellt wurden.

"Sexueller Missbrauch geht drastisch zurück", sagte der Leiter des KFN, Christian Pfeiffer. Während 1992 noch 8,6 Prozent der Frauen und 2,8 Prozent der Männer sich an "mindestens eine Körpererfahrung" in Form von sexuellem Missbrauch während ihrer Kindheit erinnert hätten, seien es nun noch 6,4 Prozent der Frauen und 1,3 Prozent der Männer gewesen.

Für die Studie wurden im Frühjahr dieses Jahres rund 11.500 Menschen im Alter von 16 bis 40 Jahren anonym befragt. Hier die wichtigsten Ergebnisse.

Daten zur Häufigkeit:

6,4 Prozent der weiblichen Befragten gaben an, dass sie in ihrer Kindheit oder Jugend mindestens einmal sexuellen Missbrauch "mit Körperkontakt" erlitten haben. Bei den männlichen Befragten waren es 1,3 Prozent. In der Vorgängerstudie von 1992 hatten 8,6 Prozent der Frauen von solchen Übergriffen in ihrer Kindheit und Jugend berichtet und 2,8 Prozent der Männer. Die Zahl der Missbrauchsfälle ist damit zurückgegangen.

Als mögliche Gründe sehen die Forscher unter anderem eine gestiegene Bereitschaft von Missbrauchsopfern, die Täter anzuzeigen. Während in den 80er Jahren im Durchschnitt nur etwa jeder zwölfte Täter mit einem Strafverfahren habe rechnen müssen, gelte das heute für etwa jeden dritten. Die Öffentlichkeit sei sensibler für das Thema geworden, und die Prävention sei besser.

Der Rückgang der Fälle betrifft aber vor allem Übergriffe innerhalb der Familie. Das Risiko, von unbekannten Tätern missbraucht zu werden, ist laut Studie über die vergangenen drei Jahrzehnte weitgehend konstant geblieben.

Daten zu den Tätern:

Die Täter sind laut Studie meist Männer aus der eigenen Familie (insbesondere Onkel, Stiefväter und Väter) oder dem Bekanntenkreis der Kinder und Jugendlichen (vor allem Erwachsene aus dem Umfeld der Eltern, Nachbarn, Freunde). Nur in knapp jedem vierten Fall handelt es sich um einen Unbekannten. Weibliche Täter gibt es nur wenige. Nur in den seltensten Fällen vergreifen sich Frauen an Kindern und Jugendlichen.

Bei 8,6 Prozent der Frauen, die als Mädchen missbraucht wurden, war einer ihrer Lehrer der Täter. Ein Übergriff durch einen katholischen Priester wurde dagegen nur in einem einzigen Fall genannt.

Dieser Befund steht den Studienautoren zufolge nicht im Widerspruch zu den zuletzt massenhaft bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen. Die Übergriffe lägen in diesen Fällen oft 35 Jahre zurück. In der jüngeren Vergangenheit seien Priester als Missbrauchstäter seltener in Erscheinung getreten.

Die Studienautoren verweisen in diesem Zusammenhang auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus den USA. Der Zahl der Übergriffe von katholischen Priestern habe dort seit den 80er Jahren drastisch abgenommen. Der Grund: Die große Zahl der Täter sei nicht pädophil, sondern habe sich in der Vergangenheit nur "ersatzweise" an Kindern vergriffen, weil erwachsene Sexualpartner im prüden Amerika damals "nicht zu erreichen" gewesen seien.

Mit der sexuellen Liberalisierung sei es für Priester, die sich nicht an den Zölibat halten wollten, zunehmend leichter geworden, Erwachsene als Sexualpartner zu gewinnen. Ob dieser Befund auch für Deutschland gilt, wollen die Forscher gesondert untersuchen.

Daten zu den Tatorten:

Der Missbrauch geschieht oft im eigenen Zuhause der Kinder und Jugendlichen oder aber in der Wohnung des Täters. Der Hintergrund: Bei Übergriffen mit Körperkontakt gibt es in der Regel eine Vorbeziehung zwischen dem Opfer und seinem Täter. Erwachsene, die vor Kindern oder Jugendlichen ihre Geschlechtsteile entblößen, sind dagegen meist Unbekannte. Solche exhibitionistische Taten passieren meist draußen im Freien.

Daten zu Migranten

Es gibt Unterschiede zwischen den Missbrauchserfahrungen der deutschen Befragten und jenen aus Zuwandererfamilien. Frauen mit türkischen Wurzeln etwa berichten laut Umfrage erheblich seltener von sexuellen Übergriffen in ihrer Kindheit und Jugend: Einen Missbrauch "mit Körperkontakt" bis zum 16. Lebensjahr haben nur 1,7 Prozent von ihnen erlebt, bei den deutschen Frauen sind es 7,3 Prozent. Die Zahl der Übergriffe innerhalb der Familie unterscheidet zwischen beiden Gruppen kaum, Übergriffe außerhalb der Familie gebe es bei türkischstämmigen Befragten aber kaum. Dies könnte damit zusammenhängen, dass türkische Mädchen "vergleichsweise stärker behütet aufwachsen", vermuten die Studienautoren.

(KNA/AP/top)
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