Stubenhocker Kinder glauben: Käfer anfassen verboten!

Düsseldorf (rpo). Unsere Kinder werden immer mehr zu Stubenhockern - von der Natur haben sie kaum noch Ahnung: Einer Studie zufolge glauben acht von zehn Kindern sogar, sie dürften Käfer oder Frösche nicht in die Hand nehmen. Jeder Vierte hat noch nie ein Reh in der Natur beobachtet.

 Marienkäfer gehören zu den beliebtesten Insekten.

Marienkäfer gehören zu den beliebtesten Insekten.

Foto: ddp, ddp

Nur zwei von drei Schülern zwischen zwölf und 15 Jahren haben jemals einen Schmetterling auf der Hand gehabt. Das Interesse von Jugendlichen an der Natur befinde sich "im Sturzflug", schlussfolgern daraus der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) und die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW). Eine von ihnen durchgeführte repräsentative Befragung von 2200 Schülern ergab, dass die Jugend in Stadt und Land gleichermaßen "auf Distanz zur realen Natur" geht.

Digitale Fantasiewelten stünden dagegen bei den Jugendlichen hoch im Kurs, heißt es im "Jugendreport Natur 06" des Marburger Natursoziologen Rainer Brämer. So verbringen die Schüler der Klassen sechs bis neun täglich bis zu vier Stunden vor dem Bildschirm; mehr als zwei Drittel besitzen bereits einen eigenen Fernseher oder Computer.

Zugleich stellt die von DJV und SDW unterstützte Studie eine "bambihafte Verniedlichung der Natur" bei den Jugendlichen fest: Acht von zehn Schülern sehen es demnach als verboten an, Käfer, Frösche oder Würmer spontan in die Hand zu nehmen. Jeder zweite der überwiegend aus Nordrhein-Westfalen stammenden Befragten ging zudem davon aus, dass im Wald grundsätzlich keine Blumen oder Beeren gepflückt werden dürfen.

"Fehlende Erlebnisse im Freien führen zu einem diffusen, teils verklärten Naturbild", betonte DJV-Präsident Jochen Borchert. "Die Jugendlichen erklären den Wald zum verletzlichen und schutzbedürftigen Natur-Symbol schlechthin und verurteilen seine Nutzung." Dabei werde verkannt, "dass unser Wald das Ergebis behutsamer Bewirtschaftung über Generationen hinweg ist".

Gleichzeitig fröne die junge Generation jedoch in bislang nicht gekannten Ausmaß dem Konsum - ohne zu durchschauen, welche drastischen Eingriffe in die Natur nötig seien, um Massenwaren wie Computer und Handys herzustellen oder mit dem Billigflieger in einen Kurzurlaub zu starten.

Dies belege, dass die seit Jahren propagierte Erziehung zur Nachhaltigkeit bei den Jugendlichen "weitgehend wirklungslos geblieben ist", beklagte die nordrhein-westfälische SDW-Vorsitzende Marie-Luise Fasse. Borchert forderte, der pädagische Auftrag müsse "noch stärker Naturerlebnis als Naturverklärung sein": "Die Jugend muss die heimische Natur wieder verstärkt mit allen Sinnen entdecken, denn nur was wir kennen, können wir richtig schützen."

(afp2)
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