Aufarbeitung des Missbrauchsskandals Die Deutschen Bischöfe machen keine Fortschritte

Meinung | Lingen · Die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz brachte kaum Fortschritte bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Vieles macht einfach sprachlos.

 Die Bischöfe trafen sich in Linken.

Die Bischöfe trafen sich in Linken.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Schlagzeilen im März des Jahres 2019:

„Bischöfe wollen Aufarbeitung von Missbrauchsfällen verstärken.“

„Bischöfe beraten weiter über Aufarbeitung.“

„Kirche stellt Entschädigungsmodell auf den Prüfstand.“

„Kirche will weitere konkrete Schritte gegen Missbrauch.“

Diese Zeilen von der jüngsten deutschen Bischofskonferenz in Lingen scheint es bereits vor Jahren in diesem oder leicht veränderte Wortlaut gegeben zu haben. Aber nicht allein das Déjà-vu-Erlebnis spricht dafür, dass genau solche Aussagen auch in den kommenden Jahren das kirchliche Leben begleiten - schlimmer noch: prägen werden. Das liegt zum einen am schrecklich langen und erschreckend langsamen Umgang der Kirche mit dem Problem des tausendfachen sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester. Dass knapp zehn Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchs jetzt am „Leitfaden“ für Diözesen für eine unabhängige Aufarbeitung formuliert wird, macht sprachlos.

Sorgfalt ist nötig und die große Missbrauchsstudie aus dem vergangenen Jahr eine Notwendigkeit. Doch bleibt all das Bemühen, den Opfern gerecht zu werden, die Täter zu bestrafen, eigene Schuld einzugestehen und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, letztlich defensiv. Die Kirche versucht, was ihr möglich ist. Sie prüft aber zu wenig, was Kirche möglicherweise auch ist - und sein kann.

Es muss auch um die Strukturen gehen: um Weiheämter für Frauen, um ein Ende des Pflichtzölibats. Das Priesteramt nur für Männer sowie zölibatäres Leben sind nicht ursächlich für sexuelles Fehlverhalten verantwortlich. Aber sie haben ein isoliertes Umfeld geschaffen, unter dem viele Geistliche leiden. Der Seelsorger ist inzwischen ein seelsorgerisch Bedürftiger. Der Zölibat und das Weiheamt für Männer sind keine Sakramente der katholischen Kirche. Sie sind nicht einmal theologisch alternativlos, wie viele Wissenschaftler seit Jahren betonen und zu belegen versuchen. Zölibat und Weiheamt sind immer auch Kirchenpolitik; sie sind Ausdruck bestehender hierarchischer Strukturen.

Das Ende des Pflichtzölibats und der Anfang von Weiheämtern für Frauen sind kein Allheilmittel und bedeuten kein Ende des Missbrauchsskandals. Sie würden aber die Kirche reformfähig zeigen, sie würden die Kirche vitalisieren und menschlicher machen.

Der Vertrauensverlust von Menschen, denen die Sakramente anvertraut wurden, ist schlimm. Irgendwann werden Priester vor Ort, die ihr Leben in den Dienst der Kirche gestellt haben, unter Generalverdacht stehen und kritisch beäugt werden. Dieser Schaden ist fast nicht mehr zu heilen. Kein Papier wird das können, kein Leitfaden, keine Bestrafung. Aber die Kirche selbst kann mit einem mutigen, offenen Aufbruch vielleicht jene Menschen zurückgewinnen, die sie so dringend braucht für die eigene Zukunft und die Bewältigung der anstehenden Probleme. Vielleicht sind dann die Zeit und die Zuversicht zurückgekehrt, von dem zu sprechen, was die Kirche zu verkünden hat: die frohe Botschaft.

Dafür wurden in Lingen keine Weichen gestellt.

Und man ahnt, ja fürchtet, dass die nächste Bischofskonferenz im Herbst mit solchen Schlagzeilen wieder bedacht wird:

„Bischöfe wollen Aufarbeitung von Missbrauchsfällen verstärken.“

„Bischöfe beraten weiter über Aufarbeitung.“

„Kirche stellt Entschädigungsmodell auf den Prüfstand.“

„Kirche will weitere konkrete Schritte gegen Missbrauch.“

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