Richter hält Täterschaft des Behinderten für schwer beweisbar Im Mordfall Peggy winkt Ulvi K. ein Freispruch

Bayreuth · Nach sechs Verhandlungstagen haben die Richter genug gehört: Im Fall der vermissten Peggy gibt es weder Beweise noch Spuren. Der Angeklagte Ulvi K. kann hoffen.

Fall Peggy - das Wiederaufnahmeverfahren beginnt
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Es passt zu diesem mysteriösen Kriminalfall: Auf den Tag genau 13 Jahre, nachdem die kleine Peggy in Oberfranken spurlos verschwunden ist, kann der wegen Mordes an der Schülerin verurteilte Ulvi K. auf einen Freispruch hoffen. In dem neu aufgerollten Strafverfahren beendete das Landgericht Bayreuth am Mittwoch vorzeitig die Beweisaufnahme - aus Mangel an Beweisen. Just am 13. Jahrestag von Peggys Verschwinden sagte der Vorsitzende Richter Michael Eckstein: "Bis zum heutigen Tag ist kein einziger Sachbeweis für das damalige Geständnis von Ulvi K. gefunden worden."

Auf diesen Satz hatte Gudrun Rödel lange warten müssen. Die Betreuerin des geistig behinderten Ulvi K. hat Zuhause 40 Aktenordner über den Fall Peggy stehen. Ihr Schützling wurde im April 2004 in einem Indizienprozess zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen des Mordes an der neun Jahre alten Schülerin verurteilt. Das Landgericht Hof sah es damals als erwiesen an, dass er Peggy in Lichtenberg tötete, um einen einige Tage vorher an ihr begangenen sexuellen Missbrauch zu vertuschen.

Seit gut zehn Jahren setzt sich Rödel dafür ein, dass der Gastwirtssohn freigesprochen wird, weil sie ihn für ein Justizopfer hält. Denn eine Leiche wurde nie gefunden. Ausgerechnet jetzt, wo das Ziel greifbar vor Augen liegt, mag sich aber bei ihr keine allzugroße Freude einstellen. "Ich freue mich natürlich für Ulvi, aber zugleich bin ich entsetzt", sagt sie. Denn nur all zu gerne hätte sie noch "weitere Ungereimtheiten" in das Verfahren eingebracht - die jetzt wohl für immer in den Aktenordnern bleiben werden.

Gerichtssprecher Thomas Goger sagt hingegen: "In diesem Strafverfahren geht es allein um die Frage, ob Ulvi K. die Tat nachgewiesen werden kann." Mit jedem Verhandlungstag wurden die Zweifel allerdings größer. Zwar hatte der Angeklagte im Juli 2002 überraschend ein Geständnis abgelegt.

Doch die Umstände, wie es zustande kam, waren dubios: Der Verteidiger war nicht dabei, das Tonbandgerät im Verhörraum schon abgebaut. Von der ersten Aussage gibt es lediglich ein Gedächtnisprotokoll der Beamten. Immer wieder wurden Ulvi K. Antworten regelrecht suggeriert. Als der dickliche Mann vor zwölf Jahren für ein Rekonstruktionsvideo den Beamten vorführen sollte, wie er Peggy verfolgte und dann tötete, schaffte er es nur wenige Meter, im Laufschritt einem Beamten nachzulaufen - um dann keuchend und schnaufend aufzugeben.

Zwei Sondereinheiten waren mit dem Fall betraut. Ein führender Ermittler der ersten Einheit gab vor Gericht an, auch heute noch nicht zu wissen, was damals in Lichtenberg wirklich geschehen sei.
Seit 2012 wird in dem Fall neu ermittelt - die neue Einheit hat in kürzester Zeit drei weitere Tatverdächtige ausfindig gemacht. Keiner hat ein Alibi für jenen 7. Mai 2001.

Der fünfte Verhandlungstag brachte schließlich endgültig die Wende: Der psychiatrische Sachverständige schloss nicht mehr aus, dass der Angeklagte ein falsches Geständnis abgegeben hat. Beim ersten Prozess 2004 hatte er diese Einschränkung nicht gemacht - es war der Hauptgrund für die damalige Verurteilung von Ulvi K.. Er sitzt wegen sexuellen Missbrauchs in anderen Fällen seit 2001 in einer Psychiatrie.

Schon vor dem Prozess-Finale scheint Ulvi K. etwas geahnt zu haben: Bereits am Dienstag verteilte er an seine Unterstützer Dankesbriefe im Gerichtssaal.

(AFP)
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