Castor 2011 Katz und Maus

Dannenberg · Der Castor-Transport geht auf seine letzte Etappe. Bis zum Abend sollen alle Castoren in Dannenberg für die letzte Etappe nach Gorleben verladen sein. Die Demonstranten sind zufrieden mit den erreichten Verzögerungen. In den vergangenen Tagen spielten sich an der Strecke teilweise kuriose Szenen ab. Polizisten standen ratlos vor den eigenwilligen Konstruktionen – und mussten den Gegner immer wieder Respekt zollen.

Angekettet gegen den Castor-Transport
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Angekettet gegen den Castor-Transport

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Der Castor-Transport geht auf seine letzte Etappe. Bis zum Abend sollen alle Castoren in Dannenberg für die letzte Etappe nach Gorleben verladen sein. Die Demonstranten sind zufrieden mit den erreichten Verzögerungen. In den vergangenen Tagen spielten sich an der Strecke teilweise kuriose Szenen ab. Polizisten standen ratlos vor den eigenwilligen Konstruktionen — und mussten den Gegner immer wieder Respekt zollen.

Es ist nur eine Szene von vielen. Aber eine mit Aussagekraft. Mit Mut, Geschick und einer kleinen Pyramide widersetzten sich vier Landwirte erfolgreich Tausenden Polizisten. Die hochgerüstete Staatsmacht erlitt eine Niederlage, die sie sportlich einräumte.

Bei den Protesten gegen Castor-Transporte sind neben Sitzblockaden auf Straßen und Schienen auch Ankettaktionen schon länger ein Mittel der Wahl. Immer wieder schlossen sich Aktivisten von Greenpeace, Robin Wood und der "Bäuerlichen Notgemeinschaft" an Gleisen und Betonklötzen fest. Oft gelang es ihnen, die Fahrt der Atommüllzüge zu behindern.

Mit der Zeit entwickelte sich eine Art Technik-Wettbewerb zwischen Castor-Gegnern und Castor-Schützern. Hatte die Polizei in einem Jahr noch Schwierigkeiten mit einem bestimmten Hindernis, konnte sie es beim nächsten Mal mit Hilfe von Hebebühnen und schwerem Gerät schneller beseitigen. Die Umweltschützer mussten sich wieder etwas Neues einfallen lassen.

Befestigungen "perfektioniert"

2010 blockierte Greenpeace mit einem umgebauten Bier-Laster, in dem Aktivisten in einer Beton-Konstruktion steckten, eine ganze Nacht lang die Abfahrt der Castorbehälter aus Dannenberg. Am vergangenen Wochenende hatte die Polizei bei Lüneburg eine weitere harte Nuss zu knacken. Bahntechniker und Beamte mussten schließlich ein zehn Meter langes Stück aus den Gleisen trennen, um sieben angekettete Greenpeace-Aktivisten loszuschneiden.

"Wir hatten unsere Befestigung etwas perfektioniert", sagte ein Greenpeace-Sprecher. Einzelheiten verriet er nicht. Ebenso wenig wie die vier Bauern, unter ihnen der Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, die sich am Sonntagmorgen in der unbemerkt auf die Schienen geschafften Beton-Pyramide festmachten.

Mechanismus schwer durchschaubar

Den ganzen Tag über versuchten Journalisten und Bahntechniker vergeblich, den Mechanismus im Innern des Hindernisses zu ergründen. In der Pyramide stecke eine zweite, meinten einige, in der zweiten womöglich eine dritte und in der dritten eine verschachtelte Konstruktion aus Streben und Verbindungen und den Armen der Blockierer.

Nach mehr als 14 Stunden befreiten sich die Landwirte schließlich selbst. Die Verletzungsgefahr sei zu groß geworden, erklärte die Notgemeinschaft. Die Polizeitechniker hätten trotz Warnungen versucht, die Schottersteine unter der Pyramide zu entfernen. Dabei sei das Innere des Hindernisses in eine Schieflage geraten, die Beamten hätten die Konstruktion nicht mehr sichern können.

Die Bauern schienen sich ihrer Sache von Beginn an sicher zu sein. Denn schon kurz nach Beginn der Aktion stellten sie eine freiwillige Aufgabe in Aussicht, wenn Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) einen Baustopp in Gorleben und ein Ende der Castortransporte ins Wendland anordne. Für sich selbst und alle anderen angeketteten Atomkraftgegner forderten die Landwirte Straffreiheit.

Protestaktion offiziell gewürdigt

Diese Bedingungen konnte der Minister natürlich nicht erfüllen. In Verhandlungen erreichte die Notgemeinschaft jedoch, dass die Polizei den Erfolg der Protestaktion öffentlich würdigt. Am Abend verschickte die Einsatzleitung eine Pressemitteilung.

"Die vor Ort eingesetzten Polizeitechniker stellten nach mehrstündiger Arbeit an der Pyramide fest, dass hier augenscheinlich ein durchdachtes, ausgeklügeltes und nach Angaben der Aktivisten sicheres System vorliegt", hieß es darin. "Die Polizei sieht sich nach derzeitigem Stand in zumutbarer Zeit nicht in der Lage, die Personen unverletzt zu befreien."

In einer Lautsprecher-Durchsage bestätigte der Einsatzleiter vor Ort nach Berichten von Korrespondenten, die Polizei sei in diesem Fall nur "zweiter Sieger" geblieben. Ob den Landwirten auch Straffreiheit zugesichert wurde, ist nicht offiziell bekannt, aber wahrscheinlich.

Gerade mal gut 24 Stunden nach Beginn der Pyramiden-Aktion sah sich die Polizei vor das nächste Problem gestellt: Auf der möglichen Südroute für die elf Castor-Tieflader blockierten Greenpeace-Aktivisten nach dem Vorbild von 2010 die Straße mit einem Kleinlaster, aus dem sie wieder einen Betonblocki auf den Asphalt absenkten.

Darin zwei Aktivisten mit den Armen aneinander gekettet. Für die Polizei ein regelrechtes Déjà-vu-Erlebnis.

(csi)
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