Vorsitzender der Bischofskonferenz im Interview Kardinal Lehmann: Kirche braucht Mission

Würzburg (RPO). Die katholischen Bischöfe Deutschlands wählen am Dienstag im Kloster Himmelspforten bei Würzburg einen neuen Vorsitzenden ihrer Bischofskonferenz. Kardinal Karl Lehmann hat wegen schwerer gesundheitlicher Probleme seinen Rücktritt von diesem Amt erklärt. Im Interview mit unserer Redaktion äußert sich Lehmann zu den Herausforderungen der katholischen Kirche und zum Stammzellgesetz.

Kardinal Lehmann, wie geht es Ihnen?

Lehmann Mir geht es gut, aber ich kann in Zukunft nicht mehr so mit meinen Kräften umgehen, wie ich es sehr lange tun konnte. Es bleibt ja ohnehin noch genug zu tun.

Wie fällt Ihre Bilanz der 21 Jahre aus, in denen Sie der Deutschen Bischofskonferenz vorstanden?

Lehmann Ich mag hier eigentlich das Wort "Bilanz" nicht sehr. Auch eine längere Zeit der Verantwortung ist in der Geschichte gerade unserer Kirche nur eine kleine Wegstrecke. In vielem kommt es darauf an, dass man das tägliche Leben der Mitchristen und ihr Zeugnis in die Gesellschaft hinein fördert. Dann mag es einige außerordentliche Herausforderungen geben, wie die Deutsche Einheit, die Papstbesuche in unserem Land und die Jahrtausendwende. Ich möchte dies alles stehen lassen, wie es sich ereignet hat. Wirkliche Bilanz macht ein anderer.

Wie schwierig ist es eigentlich, im Kreis der durchaus konfliktfreudigen Bischöfe immer wieder eine Einigung zu erzielen?

Lehmann Diese Einigung ist gar nicht so schwierig, weil wir trotz unterschiedlicher Meinungen keine festen Fraktionen, Parteien oder gar Schützengräben haben. Man muss sorgfältig aufeinander hören, Zeit lassen für die Argumente, fair und differenziert die Aussagen bündeln. Dann ist es gar nicht so schwer, immer wieder eine Einigung zu erzielen. Natürlich gehören dazu Offenheit und Transparenz.

Gehört für Sie der Ausstieg der katholischen Kirche aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung zu den bittersten Momenten im Amt des Vorsitzenden der Bischofskonferenz?

Lehmann Nein, dies war ein notwendiger Konflikt, der ausgetragen werden musste. Wir wollen mit einem solchen schwierigen Modell ja auch nicht allein dastehen und einem ständigen Verdacht ausgesetzt sein. Deshalb ist die Überprüfung durch die oberste Instanz in der Kirche der Sache nicht wesensfremd. Ich konnte immer alles sagen. Gewiss, die Entscheidung war schmerzlich. Aber die Antwort darauf war nie Verbitterung. Im Gegenteil, wir wollten ja unbedingt die Lebensberatung zugunsten der ungeborenen Kinder und die Hilfen für die Mütter mit allen Kräften fortsetzen — auch außerhalb der gesetzlichen Schwangerschaftsfkonfliktberatung.

Als einer ihrer aussichtsreichsten Nachfolger gilt der Münchner Erzbischof Reinhard Marx — wäre das eine gute Wahl?

Lehmann Die Deutsche Bischofskonferenz hat unter den derzeitigen Diözesanbischöfen, die allein Vorsitzende werden können, zurzeit über 20 Möglichkeiten. Wir kennen uns gut. Selbstverständlich werde gerade ich keine Wahlempfehlung aussprechen.

Was werden künftig die ganz großen Herausforderungen der katholischen Kirche in Deutschland sein?

Lehmann Zuerst muss man die alltägliche Treue im Dienst des Glaubens, des Gottesdienstes und der Zuwendung zum bedürftigen Nächsten sowie den Armen der Welt nennen. Diese Aufgaben bleiben entscheidend. Alles andere muss sich dem unterordnen. Da geht es sicher um eine stärkere missionarische Bewusstseinslage von Kirche und Seelsorge, wir müssen aber auch die ökumenischen Bemühungen lebendig halten und den richtigen Umgang mit der Globalisierung suchen.

Wie bewerten Sie die aktuelle Stammzell-Debatte in Deutschland und die Positionen der christlichen Parteien dazu?

Lehmann Es wundert mich nicht, dass in den großen Volksparteien, auch wenn sie ein "C" im Namen haben, sich heute manche Meinungen ansiedeln. Wir äußern, ob es nun gelegen oder ungelegen ist, unsere feste Überzeugung über Würde und Lebensrecht der Embryonen, die getötet werden. Wir versuchen mit guten Argumenten auch die Abgeordneten besser zu informieren und zu stärken.

Würden Sie die so genannten C-Parteien vor dem Hintergrund dieser Debatte heute wählen?

Lehmann In der Wahlkabine möchte auch ich allein sein und gebe deshalb keine öffentliche Stellungnahme dazu ab.

Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, ist durchaus bereit, einer einmaligen Verschiebung des Stichtags im Stammzellgesetz zuzustimmen. Hat diese Haltung auch Auswirkungen auf die Ökumene?

Lehmann Im Moment ja, denn der bisherige bioethische Grundkonsens, der gewiss immer schon bedroht war, gerät ins Wanken. Aber auf der evangelischen Seite gibt es ja inzwischen differenzierte Stellungnahmen. Das letzte Wort ist nicht gesprochen. Deswegen müssen die Scherben nicht für immer bleiben. Wir müssen noch intensiver über die Würde und das Lebensrecht des Embryos von Anfang an sprechen, ohne Abstufungen im Blick auf den Wert des Menschseins und das Recht auf Leben. Dies ist aber nicht nur ein evangelisch-katholisches Problem, sondern die Grundfrage nach dem so genannten moralischen Status des Embryos ist entscheidend für alle weitere Diskussionen.

Und wie sollte der Dialog mit dem Islam geführt werden? Eher als ein Gespräch zwischen Brüdern, oder sollte man stärker das eigene Profil herausstellen?

Lehmann Beides ist kein Gegensatz. Ein echter Dialog lebt gerade auch davon, dass er den Mut hat, sich auf den Anderen und das bisher Fremde einzulassen. Dies gilt generell. Dies gilt aber gerade auch im Blick auf den Islam.

Vielleicht haben Sie künftig ein wenig mehr Zeit für sich. Wissen Sie schon, wie Sie diese nutzen werden?

Lehmann Die Arbeit wird mir nicht ausgehen. Vor allem in meiner Verantwortung als Bischof von Mainz. Ich werde mich stärker Grundsatzfragen zuwenden. Im Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen, dem ich fast 40 Jahre angehöre und über 30 Jahre dabei eine unterschiedliche Verantwortung ausübe, kann ich wieder intensiver mitarbeiten. Alles andere wird sich von selbst ergeben.

Sven Gösmann und Lothar Schröder stellten die Fragen.

(RP)
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