Prozess Kannibale - "Es war Tötung auf Verlangen"

Frankfurt/Main (rpo). In der Fortsetzung des wieder aufgerollten Mordprozesses gegen den so genannten "Kannibalen von Rotenburg" hat das Landgericht Frankfurt am Dienstag die Glaubwürdigkeit und Motive des Angeklagten Armin Meiwes untersucht. Der Angeklagte geriet in der eingehenden Befragung um den Kannibalismusfall im osthessischen Rotenburg zeitweise argumentativ unter Druck, offenbarte aber weitere schreckliche Details der Bluttat vom März 2001.

Ausdrücklich unterstützte er die Darstellung seiner Verteidiger, es handele sich bei seiner Tat um "Tötung auf Verlangen". "Genauso sehe ich das heute noch", sagte er unter Bezugnahme auf entsprechende Aussagen in früheren Vernehmungen.

Meiwes hatte den damals 43 Jahre alten Berliner Ingenieur Bernd-Jürgen B. in der Nacht zum 10. März 2001 mit dessen Einverständnis vor laufender Videokamera entmannt, ihn Stunden später mit einem Stich in den Hals getötet und später zum Großteil verzehrt. Sie hatten sich in Internetforen von kannibalisch veranlagten Menschen kennen gelernt und zu der Tat im Gutshof des heute 44 Jahre alten Angeklagten verabredet. Während Meiwes bereits als Kind Fantasien hegte, einen anderen Menschen zu schlachten und zu essen, war es nach seiner Darstellung bei seinem Opfer genau umgekehrt: Der Ingenieur habe von einem von klein auf gehegten Wunsch erzählt, gebissen und gegessen zu werden.

Hemmung bei Penisamputation

Die Penisamputation sei zunächst an seiner Zögerlichkeit gescheitert, sagte Meiwes. "In dem Moment war eine Hemmung dabei", schilderte er. Zwischenzeitlich hätten sie den ganzen Tötungsversuch sogar bereits einmal abgebrochen, und er habe B. zum Bahnhof in Kassel zurückgefahren. Dort habe der andere dann aber eine überraschende Kehrtwende vollzogen und die Rückfahrt nach Rotenburg sowie das Ausführen des Verstümmelungs- und Tötungsplans verlangt. Er habe die Wünsche des Opfers erfüllt, unterstrich Meiwes.

Auch den Anklagevorwurf "Störung der Totenruhe" bestritt Meiwes. Er sagte, ihm sei zwar schon klar gewesen, dass das Schlachten eines Menschen tabu sei. Dass es strafbar sei, habe er dagegen nicht gewusst. Er habe im Gefängnis Gesetzesbücher gelesen und darin keine entsprechende Regelung gefunden, erklärte der Angeklagte.

Für Tötung auf Verlangen sieht das Strafgesetz maximal fünf Jahre Haft vor. Im ersten Prozess in dieser Sache hatte das Landgericht Kassel Meiwes wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die Staatsanwaltschaften sowohl in Kassel als auch in Frankfurt betrachten die Bluttat, die weltweit für Aufsehen sorgte, dagegen als Mord. Der Bundesgerichtshof hatte das Kasseler Urteil aufgehoben und mehrere Mordmerkmale als möglicherweise erfüllt bezeichnet, darunter das Stören der Totenruhe durch Verspeisen.

"Nicht grausam"

Meiwes sagte zu dem nachträglichen Verzehr der Leiche, Herz und Gehirn habe er nicht gegessen. Er habe seine Tat als menschlich und "nicht als grausam empfunden". Er verwies auf das Fehlen eines Kannibalismus-Paragraphen im deutschen Strafrecht und verglich sein Tun mit anderen ungewöhnlichen Behandlungsweisen von Leichen: Manche Menschen ließen sich auf eigenen Wunsch ins All schießen, in der Ausstellung "Körperwelten" präsentieren oder stellten ihren Leichnam der medizinischen Forschung zur Verfügung.

Auf Fragen zu seinem damaligen Schuld- und Unrechtsbewusstsein entgegnete der Angeklagte, er sei sich seiner Anormalität bewusst gewesen. Gleichwohl versuchte er, zwischen "nicht erlaubt", "nicht legal" und "illegal" zu differenzieren. Auf Nachfrage räumte er wiederum ein, sein Handeln sei "mehr als verboten", weil gesellschaftlich geächtet, gewesen.

(afp)
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