Wetterlage in NRW Kachelmann warnt vor Tornados

Düsseldorf (RP). Deutschlands "Chef-Meteorologe" Jörg Kachelmann warnt davor, Tornados zu unterschätzen. Mit der Klima-Erwärmung würde es mehr Gewitter und damit auch mehr Wirbelstürme geben. Bei den Unwettern am Dienstagabend entwurzelte ein Tornado im Kreis Düren etliche Bäume.

22. Juli 2009: Wetter-Spektakel über Düsseldorf
18 Bilder

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Meist ist der Spuk sehr schnell vorbei — aber die Verwüstung enorm. Erst am Dienstagabend zog ein Tornado durch den nördlichen Kreis Düren und entwurzelte im Bereich Titz-Gevelsdorf etliche Bäume. "Anhand des angerichteten Schadens kann man auf einen Tornado schließen", so Stephanie Schleß vom Wetterdienst Meteomedia. Augenzeugen hatten zudem ein trichterförmiges Gebilde beobachtet. Künftig könnte dies häufiger vorkommen: Meteorologe Jörg Kachelmann rechnet damit, dass Unwetter und Tornados zunehmen werden.

43 bestätigte Tornados haben die Meteomedia-Meteorologen im vergangenen Jahr deutschlandweit gezählt, dazu 186 weitere Verdachtsfälle, bei denen nicht feststeht, ob der Windschlauch auch den Boden berührt hat. Für 2009 sind bisher 23 Tornados bestätigt, 91 Stürme werden noch untersucht. "Wenn sich das Klima erwärmt, kommt es zu mehr Gewittern und damit auch zu mehr Tornados", sagt Kachelmann.

Zahlen belegen, wie stark Deutschland schon heute von Unwettern und Hagel betroffen ist — besonders im Juni und Juli. Die Landwirtschaftsversicherung "Vereinigte Hagel" zählte im vergangenen Jahr 135 Tage, an denen es in Deutschland hagelte. Dies seien "neue Maßstäbe im Hagelgeschehen", sagt ein Sprecher der Versicherung. Der Gesamtverband der Versicherer hatte schon im Jahr 2007 mehr als 2,5 Millionen Schadensfälle registriert, die auf Stürme und Unwetter zurückgehen. Nach einer Studie der Münchner Rückversicherung häuften sich diese Schäden in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend. Auch der bei den Unwettern am Dienstagabend vor allem in Nordrhein-Westfalen angerichtete Sachschaden geht wohl in die Millionen Euro.

Um Gefahren zu mindern, wäre es wichtig, solche extremen Wetterlagen genau vorhersagen zu können. Das gelingt den Meteorologen bei Unwettern noch einigermaßen. Meteomedia sagt drohendes Unheil mindestens einen Tag vorher voraus. Allerdings sehen die Forscher zu diesem Zeitpunkt auch nur, dass es zu schweren Gewittern kommen kann. Dass beides wirklich eintritt, erkennen sie manchmal erst eine halbe Stunde vorher. Tornados sind sogar noch schwerer zu prognostizieren. "Wir können immer nur sagen, dass die Wetterlage einen Tornado möglich macht, und nicht, dass er auch wirklich kommt", sagt Kachelmann. "Wirklich warnen können wir erst dann, wenn der Wirbelsturm sich zu voller Stärke aufgebaut hat."

Damit es zu einem der gefährlichen Wirbelstürme kommt, ist eine hohe Luftfeuchtigkeit und ein starker Aufwind nötig, so wie er bei Gewittern vorherrscht. Wenn dann noch der Wind in der Höhe stärker und in eine andere Richtung weht als am Boden, kann sich ein Luftschlauch bilden, der alles mit sich reißt. Diese Wirbelstürme hat es Kachelmann zufolge schon früher in größerer Zahl in Deutschland gegeben. Sie seien nur nicht so oft registriert worden, beispielsweise mit Handys oder Kameras. Kachelmann warnt aber davor, die Stürme kleinzureden. "Windhose klingt schon so niedlich. Doch was in den USA einen Menschen töten kann, kann das auch in Deutschland."

Verheerende Wirbelstürme sind auch in Deutschland möglich, wie ein Blick in die Geschichte beweist. Am 10. Juli 1968 löste ein Tornado in Pforzheim Katastrophenalarm aus. 2350 Häuser wurden zum Teil komplett zerstört, Autos flogen 200 Meter durch die Luft. Zwei Menschen starben damals, mehr als 200 Menschen wurden im Krankenhaus behandelt. Mehr als 120 Hektar Wald wurden dem Erdboden gleichgemacht. Helfer transportierten später bei den Aufräumarbeiten etwa 50 000 Kubikmeter Schutt aus der Stadt ab.

Dass es in letzter Zeit keine Todesfälle in Deutschland gegeben habe, sei pures Glück, meint Jörg Kachelmann. Zuletzt waren 2006 bei einem Wirbelsturm, der den Südwesten Hamburgs gestreift hatte, zwei Kranführer ums Leben gekommen. Kachelmann hat die Befürchtung, dass ein starker Tornado eine Großstadt wie Düsseldorf treffen könnte — und die Menschen nichts Besseres zu tun hätten, als die Wettererscheinung mit dem Handy zu fotografieren, im Glauben, deutsche Tornados seien nicht so schlimm wie ihre amerikanischen Pendants.

Einem solchen Wirbelsturm zu begegnen, sei in Deutschland zwar noch unwahrscheinlicher, als im Lotto zu gewinnen, relativiert Kachelmann. "Doch wenn tatsächlich ein Tornado aufzieht, muss man auf jeden Fall in den Keller flüchten oder sich zumindest von Fenstern fernhalten." Diese Tipps gibt auch die Feuerwehr. Schon bei heraufziehenden Unwettern habe man kaum Zeit, herumstehende Dinge so zu sichern, dass sie nicht durch die Gegend fliegen, oder gar das Auto in die Garage zu fahren. Im Zweifel rette man lieber sich selbst als den Wagen.

Jörg Kachelmann plädiert bei Tornados dafür, über Sirenen Katastrophenalarm zu geben. Doch diese Sirenen hat nicht mehr jede Kommune. Für Kachelmann ist das ein Fehler: "Auch deutsches Wetter kann Tornado."

(RP)
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