Angeklagter hüllt sich in Schweigen Kachelmann-Anwälte kritisieren Gericht

Mannheim (RPO). Im Prozess gegen den TV-Wettermoderator Jörg Kachelmann hat die Verteidigung am Montag die Prozessführung der Strafkammer des Landgerichts Mannheim scharf kritisiert. Anwalt Reinhard Birkenstock beanstandete, dass das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer erst am Ende des Prozesses gehört werden soll und beantragte, sie als erste Zeugin zu hören.

Der zweite Tag im Kachelmann-Prozess
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Die 37-jährige Radiomoderatorin beschuldigt ihren langjährigen Freund Kachelmann, sie am 9. Februar 2010 mit einem Messer bedroht und vergewaltigt zu haben. Der 52-jährige Schweizer bestreitet die Tat und spricht von einer Falschanschuldigung.

Nachdem am Montag die Anklageschrift vorgelesen worden war, verließ die Ex-Freundin als Nebenklägerin den Gerichtssaal. Die Frau will an den künftigen Verhandlungen nicht mehr teilnehmen. Bevor sie am 13. Oktober gehört werden soll, werden zunächst andere Freundinnen Kachelmanns gehört. Dabei soll es auch um eine Frau gehen, die von Kachelmann angeblich im Jahr 2000 mit einem Stock verprügelt wurde.

Zeugen "abladen"

Dem trat Verteidiger Reinhard Birkenstock entgegen. Er beantragte am Montag, die übrigen Freundinnen "wieder abzuladen". Sie hätten ein Zeugnisverweigerungsrecht, da es die Menschenwürde verbiete, das Liebesleben offenbaren zu müssen. Außerdem wisse man nicht, ob das angebliche Opfer bei ihrer mutmaßlichen Falschaussage bleibe oder zumindest Zweifel bekomme, ob seine frühere Aussage zugetroffen habe.

Im Übrigen würde eine Zeugin bestätigen, dass Kachelmann nach der angeblichen Tat am Telefon völlig ruhig und gelassen gewesen sei. Diese Zeugin sei vom Gericht aber bisher nicht geladen worden. Über die Anträge der Verteidigung wurde noch nicht entschieden.

Der Verzicht auf die Aussagen der übrigen Freundinnen war zuvor Gegenstand von internen Gesprächen zwischen Verteidigung und Gericht. Die Strafkammer signalisierte jedoch, dass sie bei der Reihenfolge der Zeugenvernehmungen bleibe. Daraufhin verlas Anwalt Birkenstock eine Stunde lang seinen Antrag. Vor der Mittagspause wurde nicht mehr über die Verfahrensanträge entschieden. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich zwar nicht zur Reihenfolge der Zeuginnen, bestand aber auf Vernehmung aller. "Es wird darauf ankommen, Erkenntnisse über den Angeklagten zu finden, der sich hier nicht äußert", sagte Staatsanwalt Lars-Torsten Oltrogge.

Kachelmann will vorerst schweigen

Kachelmann hatte am zweiten Prozesstag durch seinen Anwalt erklären lassen, keine Angaben zum Geschehen in der angeblichen Tatnacht zu machen. Stattdessen soll nun seine Einlassung verlesen werden, die er im März kurz nach seiner Inhaftierung beim Haftrichter gemacht hatte. Das Landgericht Mannheim erwägt, bei der Verlesung die Öffentlichkeit auszuschließen. Kachelmann selbst beantragte den Ausschluss nicht, widersprach aber auch nicht. Die Entscheidung wurde am Nachmittag erwartet.

Anklage zum ersten Mal verlesen

Staatsanwalt Oltrogge führte in der Anklageschrift, die zum ersten Mal verlesen wurde, aus, der Angeklagte habe seiner damaligen Freundin in ihrer Küche ein Messer vorgehalten und sie ins Schlafzimmer ihrer Wohnung geschoben. Dort habe er sie aufs Bett geschubst, sie entkleidet, ihr die Schenkel auseinandergedrückt und den Vaginalverkehr mit ihr ausgeführt. Während der Tat habe er ihr den Mund zugehalten und das Messer an den Hals gedrückt, wovon sie Rötungen im Halsbereich davongetragen habe. Die Gewaltanwendung habe außerdem zu blauen Flecken an den Oberschenkeln geführt.

Das mutmaßliche Opfer war während der Verlesung der Anklageschrift anwesend, verließ jedoch danach den Gerichtssaal. Als Nebenklägerin hat sie formal das Recht, am gesamten Prozess teilzunehmen. Da sie jedoch voraussichtlich am 13. Oktober selbst als Zeugin vernommen werden sollte, wird sie nicht mehr anwesend sein.

Das unter starkem Medieninteresse stehende Verfahren ist derzeit bis 27. Oktober terminiert.

Kachelmann war nach der Rückkehr von den Olympischen Winterspielen in Frankfurt am Main festgenommen worden und hatte vier Monate in Untersuchungshaft gesessen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte ihn Ende Juli wieder auf freien Fuß gesetzt, weil es keinen dringenden Tatverdacht mehr gesehen habe.

(apd/nbe/bs/ap)
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