NRW Justiz muss weiteren U-Häftling frei lassen

Karlsruhe/Düsseldorf (RPO). Das Bundesverfassungsgericht hat die NRW-Justiz erneut zur Freilassung eines Häftlings gezwungen. Als Reaktion auf den Gerichtsbeschluss habe man den Mann aus der Untersuchungshaft entlassen, bestätigte ein Sprecher des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf am Dienstag.

Bereits in der vergangenen Woche war ein mutmaßlicher Sexualstraftäter aus Viersen wegen zu langsamer Arbeit der Justiz aus der U-Haft entlassen worden. In beiden Fällen sind die Justizbehörden in Mönchengladbach verantwortlich.

Die Karlsruher Richter mahnten die Justiz bei Strafverfahren gegen Untersuchungsgefangene zur Eile. Mit der Dauer der U-Haft nähmen "die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit" zu, heißt in dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Die Verfassungsbeschwerde eines verurteilten Straftäters, der seit rund 20 Monaten in Untersuchungshaft sitzt, nachdem er gegen seine Verurteilung Rechtsmittel eingelegt hatte, war damit erfolgreich.

Der Mann befand sich ununterbrochen in U-Haft, seitdem er im November 2007 wegen Verdachts des unerlaubten Führens einer Schusswaffe und der gefährlichen Körperverletzung festgenommen worden war. Ende März 2008 wurde er vom Amtsgericht Mönchengladbach zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, wogegen er postwendend Berufung einlegte. Die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Mönchengladbach fand aber erst rund zehn Monate später im Januar 2009 statt. Die Berufung wurde verworfen. Über die Revision ist noch nicht entschieden.

Das Verfassungsgericht betonte, dass dem "in Haftsachen gebotenen Beschleunigungsgrundsatz" hier keine Rechnung getragen worden sei. Das Verfahren sei wie ein Strafverfahren gegen einen auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten behandelt worden. Die gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch sei nicht erkennbar. Das Oberlandesgericht Düsseldorf müsse nun unter diesen Maßstäben "unverzüglich" darüber entscheiden, ob der Mann weiter in Untersuchungshaft bleiben muss. Das OLG beschloss daraufhin Ende Juni die Entlassung.

Bereits in der vergangenen Woche war die NRW-Justiz wegen der Freilassung eines mutmaßlichen Sexualstraftäters aus der U-Haft in die Kritik geraten. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hatte den Fall nicht mit der nötigen Schnelligkeit bearbeitet. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sowie der Bund der Richter und Staatsanwälte hatten daraufhin Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) vorgeworfen, die Justiz habe zu wenig Personal.

Dem Mann aus Viersen wird vorgeworfen, mehrere Mädchen aus Viersen sexuell missbraucht zu haben, in fünf Fällen ist von schwerem Missbrauch die Rede.

Als "ungeheuerlichen Vorgang" bezeichnete SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger die erneute Entlassung eines mutmaßlichen Straftäters. "Die Justizministerin gibt immer nur soviel Pannen zu, wie öffentlich bekanntwerden. Da stellen sich die Bürgerinnen und Bürger zurecht die Frage: Wie viele mutmaßliche Straftäter laufen in Nordrhein-Westfalen frei herum, weil die Justiz nicht in der Lage ist, die Fälle in angemessener Zeit zu bearbeiten?", sagte Jäger. Müller-Piepenkötter sei ein "Sicherheitsrisiko".

Die CDU wies die Kritik der SPD zurück. "Herr Jäger hat von rechtsstaatlichen Verfahren keine Ahnung", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach. Es handele sich um einen Konflikt innerhalb der unabhängigen Rechtsprechung. "Mit diesem Konflikt hat die Justizministerin weder etwas zu tun noch kann sie dort einwirken." Die Ministerin steht seit dem Siegburger Foltermord in der Kritik.

(DDP)
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