Bonn Junger Schwarzfahrer bleibt straffrei

(RP). Wer ohne gültiges Ticket in Bus oder Bahn erwischt wird, zahlt 40 Euro. Es sei denn, er ist minderjährig. Zumindest hat das Bonner Amtsgericht einen 14-jährigen Schwarzfahrer vom "erhöhten Beförderungsentgelt" befreit, weil er kein voll geschäftsfähiger Partner der Verkehrsbetriebe ist.

 Nahverkehrsunternehmen warnen vor den teuren Folgen des Schwarzfahrens

Nahverkehrsunternehmen warnen vor den teuren Folgen des Schwarzfahrens

Foto: rpo/Vassilios Katsogridakis

Ticketkontrolle in einer Bonner Straßenbahn. Ein 14-Jähriger zeigt eine Juniorkarte vor — aber die ist abgelaufen. Die Verkehrsbetriebe fordern 40 Euro als "erhöhtes Beförderungsgelt", aber die Eltern des Jungen weigern sich, die Strafe zu bezahlen. Der Fall landet vor dem Bonner Amtsgericht, und der dortige Richter entscheidet zugunsten des minderjährigen Schwarzfahrers. "Der Annahme eines Vertragsschlusses steht entgegen, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Schwarzfahrt lediglich beschränkt geschäftsfähig (...) war", heißt es in der Urteilsbegründung. (AZ: 4 C 521/08).

Nach Einschätzung des Amtsgerichtes hätte der minderjährige Schwarzfahrer jedoch den Fahrpreis für die gefahrene Strecke "nachzahlen" müssen. Doch auch dazu kam es nicht. Die betroffenen Verkehrsbetriebe konnten nicht nachweisen, wie lang die Strecke war, die der Junge mit dem abgelaufenen Ticket unterwegs war.

Das Bonner Amtsgerichtsurteil könnte eine richterliche Entscheidung mit weitreichenden Folgen sein: ein Freifahrschein für alle minderjährigen Schwarzfahrer. Die Verkehrsbetriebe an Rhein und Ruhr reagierten denn auch mit Unverständnis. "Ich halte das — salopp gesagt — für einen Witz", meinte Andreas Meuskens von den Niederrheinischen Verkehrsbetrieben (NIAG). Es gebe klare Bundesgesetze, in denen drinstehe, dass es keine Altersgrenze für das erhöhte Beförderungsentgelt gebe.

Für die Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) stellt das Bonner Urteil keinen Anlass dar, die in der Domstadt gängige Praxis zu verändern. Für den KVB-Sprecher Joachim Berger gehört die Benutzung von öffentlichen Nahverkehrsmitteln zum alltäglichen Leben von Jugendlichen. Sie wüssten um die damit verbundenen Regeln oder müssten von den Eltern darauf hingewiesen werden. Demzufolge seien sie in diesem Bereich auch geschäftsfähig. Ähnlich beurteilen die Krefelder Stadtwerke die Lage. "Für uns gilt dieses Urteil erst einmal nur zwischen den beiden beteiligten Parteien", sagte Sprecherin Dorothee Winkmann. Auch der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) geht weiterhin "davon aus, dass eine strafrechtliche Verantwortung für Schwarzfahrer ab dem Ende des 13. Lebensjahres besteht", wie Sprecherin Sabine Tkatzik sagte.

Nach Ansicht des KVB-Sprechers Joachim Berger wäre es fatal, wenn Eltern nun wegen Schwarzfahrens geforderte erhöhte Beförderungsentgelte nicht bezahlen würden und auf Mahnungen nicht reagieren würden. "Die Kosten, die dadurch entstehen würden, könnten an den Eltern hängen bleiben", warnte der KVB-Sprecher.

"Das Bonner Urteil ist ein Einzelurteil, kein Präzedenzfall", betonte der Sprecher der Düsseldorfer Rheinbahn, Georg Schumacher. Zwar hätten Gerichte in Jena und Bergheim ähnlich wie das Bonner Amtsgericht geurteilt. Aber Richter in Düsseldorf und Mettmann hätten bereits mehrfach Minderjährige in vergleichbaren Fällen für durchaus geschäftsfähig erklärt.

Einzelfallurteile können richtungsweisend sein, meint Beatrix Kaschel von der Schlichtungsstelle Nahverkehr bei der Verbraucherzentrale NRW. Dorthin wenden sich immer wieder Eltern jugendlicher Schwarzfahrer, die empört sind, dass ein abgelaufenes oder vergessenes Ticket 40 Euro kosten soll. "Meist erreichen wir, dass die 40 Euro erlassen werden und die Eltern nur den Preis für die einfache Fahrt zahlen." Um die mangelnde Geschäftsfähigkeit geltend zu machen, müsse jedoch klar sein, dass das Kind "schuld" hatte am fehlenden Ticket. Ist der Fahrschein seit längerer Zeit abgelaufen oder haben die Eltern gar ihr Einverständnis zum Schwarzfahren erteilt, falle der "Betrug" auf die Erziehungsberechtigten zurück — und diese sind geschäftsfähig, betont Kaschel.

Zeit- und geldaufwändige Prozesse werden sich nicht vermeiden lassen, solange Schwarzfahrer noch in Busse und Bahnen gelangen — Krefeld plant ein elektronisches Einstiegskontrollsystem, das Fahrer ohne gültiges Ticket gar nicht in die Wagen lassen würde — und so lange es keine einheitliche Rechtslage gibt. "Bisher geht jedes Amtsgericht mit dieser Sache anders um", sagt Holger Klein, Sprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg. "Eine obergerichtliche Entscheidung wäre hilfreich."

(RP)
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