Missbrauch-Opfergruppe "Eckiger Tisch" Jesuitenorden soll Entschädigung zahlen

Berlin (RPO). Die Opfergruppe "Eckiger Tisch" hat vom Jesuitenorden konkrete Vorschläge für eine finanzielle Entschädigung gefordert. Für den erlittenen Missbrauch müsse es endlich ein "signifikantes Zeichen der Reue geben", erklärte der Sprecher der Vereinigung, Matthias Katsch, am Montag in Berlin. In der Gruppe "Eckiger Tisch" haben sich Missbrauchsopfer aus Jesuiten-Einrichtungen in ganz Deutschland zusammengeschlossen.

Von Jesuitenpatres missbrauchte ehemalige Schüler haben dem Orden und der Kirche "Verzögerungstaktik" vorgeworfen. Die Opfer erwarteten Angebote für "unbürokratische, opfergerechte Hilfen" wie Therapien und eine finanzielle Entschädigung, sagte der Vertreter der Betroffenengruppe "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, am Montag in Berlin. Er bezeichnete es als "zynisch", wenn versucht werde, Opfer gegeneinander auszuspielen. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) empfahl dem Orden, bei der Entschädigung der Opfer voranzugehen. Eine strafrechtliche Verfolgung ist weitgehend unmöglich, weil die meisten bekanntgewordenen Taten verjährt sind.

"Wir sind ungeduldig und zornig", sagte Katsch. Seit dem Treffen von Betroffenen und Vertretern des Ordens am "Eckigen Tisch" Ende Mai habe es zwar "positive Signale", aber keine Antwort auf die Forderungen der Opfer gegeben. Es entstehe der Eindruck, die Verantwortlichen wollten sich hinter dem "Runden Tisch" der Bundesregierung verstecken, der über Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen an Schulen und in kirchlichen Einrichtungen berät. Dort ist eine Entschädigungsregelung für alle Opfer im Gespräch.

Zur Frage nach der Höhe der finanziellen Entschädigung sagte Katsch, der "Eckige Tisch" habe seine Forderungen nicht beziffert. Es müsse aber ein "substanzieller Beitrag" sein. Orientieren könnte man sich an einem Modell der österreichischen Kirche, die einen Opferfonds aufgelegt habe und Zahlungen zwischen 5000 und 25 000 Euro leisten wolle. Allerdings lehne die deutsche Gruppe eine Staffelung nach der Schwere des Missbrauchs "nachdrücklich" ab. Auch Fischer sprach von einer "abenteuerlichen Vorstellung".

Die Ex-Ministerin, die Mitte Juli auf Bitten der Opfer einen Sonderbericht zum Missbrauch beim Jesuiten-Orden vorgelegt hatte, sagte, sie empfehle dem Orden, in der Frage der finanziellen Entschädigung nicht auf das Ergebnis des "Runden Tisches" zu warten. Auch wenn die damit einhergehende finanzielle Belastung "nicht einfach" sei, sollte eine "angemessene Reaktion" erfolgen und "symbolisch Sühne" geleistet werden.

Es sei "erbärmlich" von der Kirche, über die Kosten nachzudenken, bevor überhaupt ein Vorschlag unterbreitet worden sei, sagte Katsch. Nach Ansicht der Betroffenen müssten die Entschädigungszahlungen der "Täterorganisation" wehtun. Wem nutze eine Genugtuung, die nicht schmerzt, fragte Katsch. Für die Opfer wäre es kaum nachvollziehbar, wenn allein der Staat für die Entschädigung aufkäme. Thomas Weiner vom "Eckigen Tisch", der sich als Gegenmodell zum "Runden Tisch" versteht, verteidigte die Forderung nach schnellen Entscheidungen. Es gebe bei den Betroffenen, von denen viele derzeit am Rand der Belastbarkeit stünden, eine "Sehnsucht, das bald zu beenden".

Nach Einschätzung Fischers hat der Orden als "pädagogische Institution und moralische Instanz versagt". Das betreffe vor allem die damaligen leitenden Mitarbeiter, die zum Beispiel Täter nach Missbrauchsvorwürfen versetzt hätten, wo sie häufig weiterhin mit Kindern und Jugendlichen zu tun hatten. Nachforschungen seien nicht angestellt und die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet worden. Als eine der wesentlichsten Konsequenzen müsse darüber nachgedacht werden, wie man künftig ein Gespür für das Thema entwickeln und angemessen reagieren könne. Eine Verharmlosung solcher Taten - wie in der Vergangenheit - müsse verhindert werden.

Nach einem im Mai veröffentlichten Zwischenbericht der Beauftragten für sexuellen Missbrauch des deutschen Jesuitenordens, Ursula Raue, gab es in den Einrichtungen des Jesuitenordens in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 200 Fälle von Misshandlungen und sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.

(KNA/ddp/felt)
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